Kehlmann, Daniel: Tyll

Tyll
Foto: Rowohlt
Tyll
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kultur 144 - März 2018

Tyll Ulenspiegel, Vagant, Schausteller, Hofnarr, Gaukler, Seiltänzer, Jongleur,  Bauchredner, ein Müllersohn, geboren Anfang des 17. Jahrhunderts: Er blieb zeitlebens schmächtig, immer undurchschaubar, er tauchte plötzlich auf und unversehens unter...Er ist der Mittelpunkt dieses genialen Buches von Daniel Kehlmann, das der Verlag einen Roman nennt und die Kritiker unerschöpflich, lebensvoll, sprachmächtig, zu Herzen gehend oder – in zwei Worten – verdammt großartig (ZDF Heute-Journal). All das stimmt, aber das Buch ist viel mehr. Es lässt kapitelweise den Krieg (den dreißigjährigen) von mehreren Seiten lebendig werden, brutal und grausam. Es erzählt Geschichte, z.B. die des böhmischen Winterkönigs und seiner englischen Frau, deren Begegnung mit Tyll gegen Ende des Krieges in Deutschland den Schluss des Buches bildet. Es beschreibt Volksbelustigung auf Marktplätzen, führt durch heute nicht mehr vorhandene dichte Wälder, lässt den unvorstellbaren Hunger der Fliehenden und Unbehausten ebenso deutlich werden wie das nicht erklärbare Erlernen der Kunst, auf dem Seil in schwindelnder Höhe zu „tanzen”. Es zeigt forschenden Geist und träumende Phantasie, und immer wieder Tyll, dessen Vater gehenkt wurde, den es forttrieb und umtrieb, der nie ankam und nie zurück ging, der alles überlebte und beschloss, nie zu sterben, der berühmt war, den aber niemand wirklich kannte, und der mit dem Till Eulenspiegel unserer Kinderbücher nichts gemeinsam hat.
Wenn man das Buch ausgelesen hat, möchte man es gleich noch einmal lesen (und vielleicht noch einmal), und man wird es auch dann nicht beschreiben können und ganz erfassen, weil es beinahe unfassbar ist, es zu schreiben. Daniel Kehlmann hat es getan, wir können es lesen...


Daniel Kehlmann
Tyll
Rowohlt,
erschienen 10/2017,
480 Seiten,
22,95 €

Donnerstag, 06.12.2018

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