My Rock - Tanzgastspiel aus Grenoble in der Oper - kultur 143, Februar 2018

Nostalgische Nummernrevue

Das Kontrastprogramm zu Tannenbaum und Partyseligkeit war am 3. Januar My Rock aus Grenoble. „Rock war Teil meiner Teenager-Welt“, erklärt der französische Choreograf Jean-Claude Gallotta (*1950). „Er hat mir geholfen, meiner existenziellen Angst zu entkommen“. Die neuen Rhythmen bedeuteten junge Energie, Befreiung von Konventionen, den Aufbruch von Generations- und Gesellschaftskonflikten. Das neue musikalische Genre aus den USA war laut und sehr körperlich. „Man nennt es Rock’n Roll, nach einem Ausdruck, der im Slang amerikanischer Musiker ‚Sex haben‘ bedeutet.“ Aus dem Off erzählt Galotta auf Französisch (in Bonn mit deutschen Übertiteln) vom Lebenshunger seiner Generation – in einer Mischung aus Selbstironie und raunendem Pathos. Während seiner Tanzausbildung in New York entdeckte er Theatergrößen wie Merce Cunningham und Robert Wilson.
Einmal erscheint der scheue, zierliche Künstler auch selbst auf der Bühne. Mit seiner am Fuß der südfranzösischen Alpen beheimateten Truppe Groupe Émile Dubois verbindet er in My Rock die populäre Musik mit dem Postmodern Dance. Es gibt also keine fliegenden Petticoats, lasziven Hüftschwünge oder kühnen Wurffiguren. Gallottas Ensemble in schwarzen Hosen und weißen Hemden tanzt mit expressiver Sinnlichkeit durch die sehr persönliche Revue und wirkt oft viel sanfter als die Tonspur der jugendlichen Protestbewegung.
Auf das melancholische Heartbreak Hotel von Elvis Presley folgt ein gutes Dutzend von originell choreografierten Songs, gelegentlich illustriert mit Video-Einblendungen der Ikonen des Rock-Pop. Helter Skelter der ­Beatles verstummt zwar jäh (laut Gallotta aus urheberrechtlichen Gründen) und wird ohne Ton getanzt. Dafür gibt es Sister Morphine von den Rolling Stones in voller Länge. Hinreißend kraftvoll ist das weibliche Solo zu Nick Drakes River Man. Der britische Musiker erlag seinen Depressionen zu früh, um in den Club 27 aufgenommen zu werden. Gallotta nennt u.a. Kurt Cobain aus der Reihe der mit 27 Jahren verstorbenen jungen Wilden.
Die alt gewordenen Helden wie Lou Reed und Bob Dylan dürfen natürlich nicht fehlen. Sehr berührend ist das langsame männliche Duett zu Sunday Morning von The Velvet Underground.
Zu Patti Smith‘ Gloria war nochmal das ganze elfköpfige Ensemble eindrucksvoll individuell aktiv und erntete jubelnde Zustimmung aus dem fast ausverkauften Opernhaus. Quasi als Zugabe folgte das heitere She’s Looking Good von Wilson Pickett. Schon ein kleiner Hinweis auf ein anderes Kapitel der Rockgeschichte. Denn seit dem vergangenen Herbst gibt es auch My Ladies Rock, das sich den weiblichen Stars widmet.

Etliche Ballett-Fans zählten die pausenlose, rund 70-minütige Performance My Rock nicht zu den wirklich überzeugenden Tanz-Highlights. Der große, überwiegend jüngere Rest applaudierte begeistert. E.E.-K.

Donnerstag, 02.08.2018

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