Kiki van Beethoven - Theater Die Pathologie - kultur 142 - Januar 2018

Kiki van Beethoven
Foto: Theater Die Pathologie
Kiki van Beethoven
Foto: Theater Die Pathologie

Wunderbare Freundschaft durch die Musik


Auf einem Pariser Trödelmarkt hat Kiki eine Beethoven-Maske erstanden, ähnlich wie die Porträtbüste, die einst daheim auf dem Klavier stand. Aber Beethoven schweigt. Ist Kiki taub geworden wie der Komponist? Um das herauszufinden, hat die alte Dame sich einen kleinen tragbaren CD-Player gekauft, der sie treu durch diverse Parks begleitet. Und plötzlich hört sie wieder die geliebte Musik. Irgendwann auch Leonores Arie „Abscheulicher, wo eilst du hin“. „He, Alte, kannste deine Kirchenmusik nicht leiser machen?“, murrt eine junge Frau mit Smartphone und den unvermeidlichen Kopfhörern. Was Kiki mit einem unwirschen „Das ist Fidelio, du Flachkopf!“ quittiert.
Kiki wohnt im „Fliederbusch“, einer noblen Pariser Seniorenresidenz, und spottet gern über ihre ebenso betagten Freundinnen. Das burschikose Mädchen mit Rap-Rhythmen und Hip­hop im Ohr lebt irgendwo in den nordafrikanisch dominierten Vorstadt-Ghettos. Der französische Autor Éric-Emmanuel Schmitt, international berühmt geworden u.a. durch Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, lässt in seiner 2010 uraufgeführten Tragikomödie Kiki van Beethoven zwei Welten aufeinanderprallen. Sein Text ist ein kleiner philosophischer Essay über die emotionale Kraft der Musik, die Grenzen überwindet.
Regisseur Johannes K. Prill hat die Geschichte im Theater Die Pathologie als bewegenden kurzen Dialog inszeniert. Gleich am Anfang wird klar, dass hier zwei einsame Herzen und Hände sich aufeinander zu bewegen möchten. Prills Inszenierung bebildert das sparsam: Ein paar Stühle im leeren Raum, kein realistisches Dekor und selbstverständlich keine Beethoven-Büste.
Im Zentrum agiert die Schauspielerin Helga ­Bakowski als Kiki, die durch das neue Hören auf die verschütteten Spuren ihres Daseins stößt. Ein wenig manieriert, wie es sich ziemt für elegante Pariserinnen, die längst über mehr Vergangenheit als Zukunft verfügen. Beethoven sei wohl ihr Verflossener, dem sie nun nachtrauere, vermutet keck das fremde Mädchen. Svenja von der Hagen, die gerade ihr Schauspielstudium in Köln abgeschlossen hat, gibt den robusten Popmusik-Fan, der nur die Gegenwart kennt. Später spielt sie auch Kikis Schwiegertochter Eleonore, die sich zurückgezogen hat nach dem Suizid ihres Gatten vor zwanzig Jahren. Die Spurensuche seiner Mutter geht noch viel weiter zurück bis nach Auschwitz, wo Beethovens Musik vielen Menschen half, im Grauen ihre Würde zu bewahren. War das Gewicht des Überlebens zu schwer für die anscheinend so selbstsichere Seniorin? Gibt ihr erst das Eintauchen ins Verschwiegene wieder das Gespür zurück für die unerhörten Töne? Jedenfalls löst sie das letzte Versprechen an ihren Sohn tapfer ein und pilgert nach Santiago. Was mittlerweile ein wenig trivial erscheint, aber schön passt zu Kikis frischem Lebensmut.
Diverse vom Autor so vorgeschriebene bekannte Beethoven-Motive klingen an in den sen­siblen Szenen einer Selbstfindung. Bis am Ende das Rap-Girl mit seiner neuen alten Freundin „Kiki van Beethoven“ in eine heitere Unbeschwertheit tanzt. Im fröhlichen Wechsel zwischen Walzer und Hiphop. „Was die Mode streng geteilt“, kann der Zauber der Musik wieder verbinden. Auch ohne pathetische Götterfunken. Herzlicher Beifall für die sympathische Vorstellung. E.E.-K.
Spieldauer ca. 50 Minuten, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
12.01. // 13.01. // 2.02. // 3.02.18

Dienstag, 13.02.2018

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