Lisa Eckhart - kultur 141 - Dezember 2017

Lisa Eckhart
Foto: Harald Kirsch
Lisa Eckhart
Foto: Harald Kirsch

„Ich will alle heiligen Kühe schlachten“ - Prix-Pantheon-Gewinnerin Lisa Eckhart im Pantheon und im Haus der Springmaus

Prix-Pantheon-Gewinnerin Lisa Eckhart im Pantheon und im Haus der Springmaus
von Thomas Kölsch


Glück ist, verstören zu können. Zumindest für Lisa ­Eckhart. Die Schweizer Kabarettistin, die auch schon mal staubtrocken über die Vorzüge des Kannibalismus sinniert und die zwischenmenschliche Dysfunktionalität mit scharfen Schnitten sowie noch schärferen Kommentaren seziert, liebt das Spiel mit den Schock-Momenten. Ein entsetztes Schnappen nach Luft ist ihr mehr wert als freundlicher Applaus. „Mir liegt nichts an einem kollektiven Schulterklopfen im Kabarett“, erklärt die neueste Prix-Pantheon-Preisträgerin im Interview. „Ich bin stattdessen sehr darum bemüht, dass das Publikum in seiner Bequemlichkeit ungemütlich zusammenzuckt, wenn ich es von seinen Illusionen befreie.“ Ob es das nun will oder nicht.

Bei Publikum und Kritikern kommt dieser Ansatz überaus gut an, sehr zur Überraschung von Eckhart, die sich prompt fragt, ob sie nicht schon wieder zu nett ist, weil sie die Gunst ebenso begehrt wie die Verstörung. Ist sie nicht. Doch ihr gnadenlos geschickter Umgang mit dem Wortskalpell und ihre zynisch-ironischen Überspitzungen sind nun einmal eine Klasse für sich. Auch wenn längst nicht jeder das schätzt: Bei den etwa zwei Dutzend Schauspielschulen, bei denen Eckhart sich nach ihrem Germanistik-Studium beworben hatte, bekam sie keine Chance. „Man sagte mir damals, dass es bei mir keine Verbindung zwischen Geist und Körper gebe“, erinnert sich die 25-Jährige. „Ich war den Jurys nicht authentisch genug. Wahrscheinlich lag das Problem vielmehr darin, dass ich mich nicht befüllen lassen wollte. Ich fand es schon schwer, überhaupt Monologe für mich zu finden, mit denen ich mich identifizieren konnte, weil ich mich auf der Bühne immer nur selbst inkarnieren wollte.“ Nicht gerade die besten Voraussetzungen für das Theater. „Genau. Deshalb kann ich die Entscheidungen von damals auch gut verstehen. Und letztlich haben mir diese Erfahrungen auch geholfen. Denn als ich feststellte, dass mich viele Texte einfach nicht interessieren, habe ich angefangen, selber zu schreiben, um diesen Makel auszumerzen.“ Was Eckhart erst zum Poetry Slam und schließlich zum Kabarett gebracht hat. „Jetzt empfinde ich auf der Bühne maximales Wohlgefühl“, sagt sie. Trotz der widerwärtigen Selbstzweifel und des zur Schau gestellten, aber sehr ernst gemeinten Größenwahns, die Eckhart bei sich diagnostiziert. „Ich liebe das“, sagt sie. „Ich könnte mir nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu machen. Dieses Streben nach mehr Sicherheit durch ein zusätzliches Standbein gibt es bei mir nicht. Als ich mit dem Schreiben angefangen habe, riss ich alle anderen Säulen ein, auf denen ich etwas hätte aufbauen können. Und ich habe es nie bereut.“

Es steht außer Frage, dass Lisa Eckhart nicht zu den üblichen Komikern gezählt werden kann, die für ein herzhaftes Lachen alles geben würden. Sie ist anders. Die 25-Jährige ist in den vergangenen zwei Jahren mit diversen Attributen versehen worden. Ihr Programm Als ob Sie Besseres zu tun hätten gilt als schwarzhumorig, giftig, bitterböse – Worte, mit denen Eckhart nicht sonderlich viel anfangen kann. „Die meisten dieser Begriffe werden doch ohnehin inflationär verwendet und sind längst entwertet“, behauptet sie. „Davon abgesehen habe ich zwar immer wieder gerne mit dem Mephistophelischen geflirtet, mich aber auf der Bühne eigentlich immer als realistisch gesehen.“ Auch wenn dadurch so manche lieb gewonnenen Vorstellungen dekonstruiert werden müssen. Vor allem wenn es um den Nachwuchs geht. „Mir ist beim Schreiben gar nicht so bewusst gewesen, dass ich mich so oft mit Kindern auseinandersetze“, gesteht ­Eckhart. „Es ist auch nicht so, dass ich ein Problem mit ihnen habe – wohl aber mit der Verklärung, die mit ihnen verbunden wird. Den meisten Menschen gelten sie als Inkarnationen des unschuldigen Naturzustands und der Reinheit, und genau das leugne ich. Denn das Kind wird auf diese Weise zur Heiligen Kuh erhoben, und ich versuche auf der Bühne, all diese Kühe zu schlachten.“ Mit gewetztem Messer, scharfer Zunge, einem Humor, der so trocken ist wie das Death Valley – und mit einem sardonisch-koketten Lächeln auf den Lippen. Da lässt man sich doch gerne seine Illusionen rauben. Ein schöneres Gemetzel hat es auf deutschen Bühnen auf jeden Fall zumindest in jüngster Zeit noch nicht gegeben.

Dienstag, 16.01.2018

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 23.04.2024 14:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn