Felipe Rojas Velozo - kultur 140 - November 2017

Felipe Rojas Velozo in La Bohème
Foto: Thilo Beu
Felipe Rojas Velozo in La Bohème
Foto: Thilo Beu

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Felipe Rojas Velozo:
Rodolfo, Don José und immer wieder Duca

Bei der Trauerfeier für den ehemaligen deutschen Außenminister Guido Westerwelle 2016 in der Kölner Kirche St. Aposteln sang er die Arie „Nessun dorma“ aus Puccinis letzter Oper Turandot. Der bekennende Opernfreund hatte sich das kurz vor seinem Tod ausdrücklich gewünscht, denn er hatte den chilenischen Tenor schon an der Deutschen Oper Berlin gehört und war begeis­tert von seiner Stimme. „Es war für mich ein unglaublich berührender Moment, weil der Text und die Musik ja viel über den Mut zum Leben sagen“, berichtet Felipe Rojas Velozo, der seit der Spielzeit 2016/17 fest an der Oper Bonn engagiert ist.
Im Frühjahr 2016 gastierte er hier bereits als Gaston in Verdis Jérusalem. Als neues Ensemble-Mitglied stellte er sich dann vor als Rodolfo in La Bohème. Diese Puccini-Partie hat er mittlerweile an mehreren Häusern gesungen, in diesem Herbst z.B. als Gast am Staatstheater Mainz. „Es ist manchmal irritierend, sich in ganz andere Regiekonzepte hineinzufinden und die Rolle entsprechend zu gestalten. Auch in Operninszenierungen werden ja ab und zu Passagen gestrichen, gesprochene Partien eingefügt oder Aktionen eigenwillig interpretiert. Man ist nicht immer von jeder Idee überzeugt, aber so bleibt der Beruf besonders spannend.“
Gerade haben die Proben zu Carmen begonnen. Rojas Velozo gibt in Bonn sein Rollendebüt als Don José. „Es ist eine fertige Inszenierung, auch wenn sie hier sicher – allein schon wegen der anderen Sänger – etwas anders wird als an der Deutschen Oper am Rhein.“ Mit dem in Venezuela aufgewachsenen Regisseur Carlos Wagner hat er schon in Wiesbaden in dessen Inszenierung von Puccinis Komödie Gianni Schicchi zusammengearbeitet und schätzt ihn sehr. „Er spricht mehrere Sprachen fließend, aber wir unterhalten uns natürlich in unserer Muttersprache. Wobei das Spanische zum Schauplatz der Oper passt und hier auch optisch dominiert. Gesungen wird selbstverständlich in der französischen Originalsprache, die mit ihren Nasalen für eine hohe Stimme immer wieder eine artikulatorische Herausforderung ist. Ich hoffe aber, dass man mich verstehen wird.“
Die finnische Mezzosopranistin Niina Keitel, die in Bonn als Carmen ­gastiert, hat er vor sieben Jahren beim Opernfestival von Savonlinna kennengelernt. Er sang den Duca in Rigoletto, sie die kleinere Rolle der Maddalena. „Ich habe mich sehr gefreut, wie toll sich die junge Sängerin weiterentwickelt hat.“ Den Duca hat Rojas Velozo in seiner über 20-jährigen Bühnenkarriere ca. 60-mal verkörpert, darunter auf einer Tournee, die ihn bis nach Tokio und Hongkong führte. Er gastierte zudem an der Oper von San Francisco und sang die Tenorpartie in Mozarts Requiem in Jerusalem und Tel Aviv.
Felipe Rojas Velozo wurde als jüngster Sohn eines Bildhauers in Chile geboren. Die Liebe zur klassischen Musik erbte er von seiner Mutter, die als Sopranistin mit verschiedenen Amateurchören arbeitete und häufig als Solistin bei kirchlichen Festen engagiert wurde. „Musik machen wir in Südamerika fast alle“, sagt er und erinnert sich gern an die Lagerfeuer­abende am Strand mit seinen acht Geschwistern im Ferienhaus der Familie. Bis heute spielt er Gitarre und mag Tango. Am Konservatorium seiner Heimatstadt Santiago de Chile begann er eine Ausbildung als Cellist. Als sein Lehrer ihn zufällig singen hörte, riet er ihm zu einer Gesangsausbildung. 1995 gab der junge lyrische Tenor sein Debüt am Teatro Municipal in Santiago als Ismael in Nabucco, gefolgt von Alfredo in La Traviata und der Tenorpartie in Beethovens 9. Sinfonie. 1996 wurde er als bester chilenischer Künstler des Jahres ausgezeichnet. Eine Tournee mit der Missa Criolla brachte ihn zum ersten Mal nach Europa.
Er beschloss, nach Deutschland zu ziehen, studierte an der Musikhochschule Karlsruhe Musiktheater bei Renate Ackermann und erhielt 1998 sein erstes Opernengagement an der Staatsoper Stuttgart. Von 2001 bis 2005 war er festes Ensemble-Mitglied am Nationaltheater Mannheim, wo er sein Repertoire ausbaute, zu dem inzwischen fast 40 Hauptrollen gehören. 2005 gab er sein erfolgreiches Debüt als Alfredo an der Deutschen Oper Berlin und sang dort zahlreiche große Partien. Von 2010 bis 2013 war er unter der Intendanz von Manfred Beilharz fest am Staatstheater Wiesbaden engagiert und sang dort u.a. den Fenton in Falstaff und den Rodolfo in Luisa Miller. Außerdem gastierte er 2011 am Aalto Theater Essen und gab dort sein Rollendebüt als Tebaldo in einer konzertanten Aufführung von Bellinis I Capuletti e Montecchi unter der musikalischen Leitung von Stefan Soltesz, den er außerordentlich schätzt. 2014 war er in einer konzertanten Aufführung des Münchner Gärtnerplatz Theaters von Tschaikowskis Jolanta als Graf Vaudémont zu hören: „Meine erste Partie auf Russisch, was die meisten Kollegen fließend beherrschten.“
2016 sang Rojas Velozo in Bonn den Edgardo in Lucia di Lammermoor mit der russischen Starsopranistin Julia Novikova in der Titelrolle. Im letzten Sommer traf er sie gleich wieder in Bukarest, wo sie die Gilda in Rigoletto sang und er den Duca. Seine vielen internationalen Auftritte können wir hier ebenso wenig aufzählen wie die an großen Häusern in Deutschland von der Berliner und Hamburger Staatsoper bis zur Dresdner Semperoper.
Seinen Lebensmittelpunkt hat Rojas Velozo seit seiner Zeit an der Deutschen Oper Berlin in der Nähe von Köpenick. Dort hat er sich zusammen mit seiner deutschen Frau Christina ein gemütliches, altes Haus mit großem Garten gekauft und besucht seine Familie so oft, wie es sein enger Zeitplan erlaubt. Mit dem ältesten seiner drei Söhne war er kürzlich in der fabelhaften Zauberflöte in der Komischen Oper, als Fantasy-Comic inszeniert von der britischen Truppe „1927“ und Barrie Kosky. Blicke „über den Tellerrand“ mag der vielseitige Sänger ohnehin und findet es eher seltsam, wenn Kollegen z.B. Bernsteins West Side Story kaum kennen: „Das ist doch eine große moderne Oper“. Natürlich gehört die Arie „Maria“ zu seinem Repertoire, auch wenn er den Tony auf der Bühne nicht spielen möchte.
Seine sängerische Heimat ist das italienische Fach, seine persönliche Lieblingsrolle der Riccardo in Un ballo in maschera, den er zuletzt 2013 in Wuppertal spielte. Er freut sich aber auch schon auf sein Debüt als Jacopo Foscari im Mai 2018 in Verdis I due ­Foscari in Bonn. Und natürlich zunächst auf Carmen. Bevor er dafür zur Kostümprobe in die Garderobe muss, erzählt er noch schnell eine kleine Anekdote. „Ich hatte mich am 8. Oktober zwischen den Gesangsproben kurz hingelegt, als der prominente Schauspieler Axel Prahl an meine Tür klopfte und das Zimmer für seinen Auftritt in der Reihe ‚Quatsch keine Oper‘ brauchte. Ich fand ihn total sympathisch, bin in seine Vorstellung gegangen, fand seine Band toll und ihn auch als Sänger super. Ich hab gleich ein Foto von uns gemacht und meiner Frau geschickt.“ Felipe Rojas Velozo blickt und hört nämlich gern in verschiedene künstlerische Richtungen. In der Spielzeit 2015/16 sang er z.B. die Tenorpartie in einer Tanzproduktion von Rossinis Stabat Mater am Theater Magdeburg, am 26. November 2017 gastiert der gefragte Konzertsänger in der Oetker-Halle Bielefeld in Verdis Messa da Requiem.

Dienstag, 16.01.2018

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