Die Jungfrau von Orléans - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 140 - November 2017

Die Jungfrau von Orleans
Foto: Kleines Theater Bonn
Die Jungfrau von Orleans
Foto: Kleines Theater Bonn

Heilige Johanna vor Gericht


Das Original zu Brechts bitterböser Schiller-Parodie war die Aufführung nicht, sondern ein – freilich recht kluger – Blick auf die historische Figur. Wie in Jean Anouilhs Drama Jeanne oder die Lerche (1953) ist gleich am Anfang klar, dass hier Theater gespielt wird. Die Spieler schlüpfen in ihre Rollen, der Prozess gegen Johanna kann beginnen. Der Scheiterhaufen ist schon aufgebaut, denn die Engländer wollen das Mädchen brennen sehen, das sie an der Spitze des französischen Heeres vor Orléans geschlagen hat. „Come to the story“, mahnt der ungeduldige Graf Warwick. Schließlich haben die Briten viel Geld bezahlt, damit die französische Kriegsheldin von der katholischen Kirche als Ketzerin verurteilt wird.
Die Geschichte der Jeanne d’Arc wird in Rück­blenden erzählt. Regisseur Rolf Heiermann hat eine eigene Bühnenfassung des Stoffes sehr frei nach Friedrich Schillers romantischer Tragödie Die Jungfrau von Orleans (1801) erstellt.
Der Prolog kommt zur Schilderung der Hintergründe recht ausführlich vor, auch sonst mischen sich gelegentlich die klassischen Blankverse ein. Doch schon bei Johannas großem Monolog „Lebt wohl ihr Berge, ihr geliebten Triften“, schneidet Warwick (Wolf-Guido ­Grasenick als nüchterner Beobachter) ihr nach zwei Zeilen das Wort ab. Romantik ist nicht angesagt in dem Prozess, allenfalls Johannas Kontakte zu teuflischer Magie am Druidenbaum. Der Gerichtsvorsitzende Bischof Cauchon (Lorenz Schirren als Kirchenfürst im feuerroten Gewand) windet sich zwischen religiösem Fundamentalismus und Politik. In der Ausstattung von Anita Rask-Nielsen werden im Hintergrund dauernd Schiebetüren geöffnet und geschlossen, um das Öffentliche und das Geheime zu trennen. Das zehnköpfige Ensemble hat eine Menge zu tun, um mit Brettern und hölzernen Würfeln die schnell wechselnden Schauplätze zu markieren.
In diesem Verhandlungstheater bewegt sich völlig unbeirrt Eva Wiedemann als Jungfrau Johanna. Ein naives Mädchen aus der lothringischen Provinz, das ohne jeden Zweifel den Stimmen vom Himmel vertraut und ihre große Aufgabe, Frankreich zu retten, als göttlichen Befehl begreift. Den Helm, der ihr nicht ganz zufällig zuteil wird, versteht sie als heiliges Zeichen. Mit ihrer listigen Eloquenz übertölpelt sie den zudringlichen Beaudricourt (Werner Schwarz). Mit ihrem merkwürdigen Wissen fasziniert sie den Edelmann Novelopont (Nikolas Knauf). Und sie überzeugt den schwächlichen Dauphin Charles (Frank Musekamp), dass man Angst zwar haben, aber nicht zeigen dürfe. Selbst dessen brav-blonde Maitresse Agnes Sorel (Fabienne Hesse) huldigt der Heldin. Johanna Superstar mit Popmusik im Hintergrund (die Großes-Kino-Tonspur der Inszenierung ist ein wenig zu aufdringlich) hat’s geschafft und stand als Siegerin mit Schwert und Fahne auf dem Schlachtfeld, um Frieden zu schaffen.
Der frisch gekrönte König geht mit seinem Gefolge feiern, während Johanna gefangen genommen wird. Mit beharrlicher Glaubenssicherheit behauptet sie sich gegen den Inquisitor (Gerhard Fehn), den Erzbischof (Heiko Haynert) und den Ankläger (Stefan Krause).
Im zweiten Teil der Aufführung werden diverse Dokumente aus dem his­torischen Prozess in Rouen zitiert, in dem die Analphabetin Johanna rhetorisch brillant ihren schriftgelehrten Gegnern Paroli bot. Wirklich berührt Wiedemanns Johanna als verletzliche junge Frau, die ihre Männerkleidung braucht, um sich gegen die brutalen Vergewaltigungsversuche im Kerker zu wehren. Auf dem Folterbett kapituliert jedoch selbst die starke Kämpferin. Ihr grausamer Flammentod ist von den Machthabern aus Kirche und Politik jedoch längst beschlossen. Keine schillernde Apotheose, die kleine Lerche flog hoch und fiel tief in die Arme eines Henkers. Die Mixtur aus Schillers hohem Pathos und Anouilhs ironischer Skepsis (mit Anflügen aus George Bernard Shaws Drama Die heilige Johanna) funktioniert tadellos. Das große Ensemble überzeugte in zahlreichen weiteren Rollen und wurde mit entsprechendem Premierenbeifall belohnt. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 Std. inkl. Pause
Die letzten Vorstellungen:
28.10. // 29.10. // 31.10. // 1.11.17

Freitag, 12.01.2018

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