Sunset Boulevard - Oper Bonn - kultur 140 - November 2017

Sunset Boulevard
Foto: Thilo Beu
Sunset Boulevard
Foto: Thilo Beu

Glamouröse Trugbilder aus der Hollywood-Traumfabrik


„Jeder Mensch braucht Träume aus Licht“, behauptet Norma Desmond in einem der zentralen Songs des Musicals. Sie war ein gefeierter Star der Stummfilm-Zeit, als die Bilder noch Schwarz-Weiß waren, der Ausdruck groß und die Stimme nebensächlich. „Wir hatten Gesichter“, die heutigen Filme seien trotz Ton und Technicolor einfach klein. Normas Glanzzeit ist längst vorbei, aber sie agiert immer noch so, als seien die Kameras auf sie gerichtet.
In Gil Mehmerts großartiger Inszenierung von Sunset Boulevard, die zuvor schon in Bad Hersfeld und dann in Dortmund zu sehen war, ist das Kino allgegenwärtig. Andrew Lloyd Webbers 1993 uraufgeführtes Musical entstand nach dem legendären Filmklassiker Boulevard der Dämmerung von Billy Wilder aus dem Jahr 1950, der sarkas­tisch die Mechanismen der Traumfabrik Hollywood hervorhob. Das Karussell der Stars drehte sich immer schneller. Wer rausflog, wurde vergessen und fiel ins Dunkel. Wie Norma Desmond, in deren heruntergekommener Luxusvilla eines Nachts zufällig der mittellose Drehbuchschreiber Joe Gillis landet. Norma wittert eine neue Chance. Mit Joes Hilfe will sie – ausgerechnet als Salome – ein glänzendes Comeback feiern.
Im genialen Bühnenbild von Heike Meixner, die auch die hinreißenden 50er-Jahre-Kostüme entworfen hat, dominieren zwei Beleuchtungstürme, die auch als Künstlergarderobe oder Bibliothek taugen. Rasend schnell wechseln die Schauplätze von den bunten Paramount-Studios zu Normas Garten und Salon. Das Podest in der Mitte wird mit wenigen Handgriffen zur Theke, zum Schreibtisch und in der Beleuchtung von Thomas Roscher zum Swimmingpool. Links führt eine hohe geschwungene Treppe zu Normas Privatgemächern. Alles ist Illusion: Zwei Scheinwerfer im Nebel markieren eine wilde Auto-Verfolgungsjagd, Normas Nobelkarosse ist augenscheinlich eine Attrappe.
Majestätisch schreitet die alte, in ihrer Schwarz-Weiß-Welt gefangene Diva die Showtreppe herab, jeder ihrer Auftritte ist eine präzise Selbstinszenierung. Mit dem international gefragten Musical-Star Pia Douwes hat die Bonner Aufführung eine absolute Traumbesetzung der Rolle. Stimmlich hervorragend, aber insbesondere darstellerisch glänzend. Atemberaubend genau spielt sie die exzentrische Künstlerin und große Dame, kühl arrogant und zutiefst verletzlich, hysterisch und rücksichtslos sentimental jede Wirklichkeit stolz verweigernd.
Oliver Arno spielt und singt hervorragend den charmanten jungen Joe, der nach und nach der Faszination der aus der Zeit gefallenen Lady erliegt. Sie fesselt ihn mit ihrem Reichtum und vor allem mit emotionalen Tricks, bis er in seinem Luxusgefängnis zappelt. Der Gegenpol ist seine junge Kollegin Betty Schaefer, mit wunderbar leuchtender Stimme verkörpert von Wietske van Tongeren. Mit ihr arbeitet Joe heimlich an einem anspruchsvollen Drehbuch, wobei ein echter Gefühlsfunke überspringt. Obwohl Betty verlobt ist mit Joes smartem Freund Artie Green, überzeugend gesungen von Florian ­Soyka.
Thomas Christ gibt den berühmten Filmproduzenten Cecil B. DeMille, der mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Mitgefühl seinen ehemaligen Star Norma Desmond empfängt und fortschickt. Eine entscheidende Rolle spielt Tom Zahner als treuer Butler Max von Mayerling. Das wortkarge Faktotum war einst der Gatte und Regisseur der Diva und zieht nun gespenstisch im Hintergrund alle Fäden, um der geradezu irrsinnig verehrten Kinokönigin ihre Wahnvorstellungen zu lassen.
In der schwungvollen Choreographie von Melissa King tanzen und singen neben weiteren Solisten auch zahlreiche Studierende der Essener Folkwang Universität der Künste, wo Mehmert seit langem lehrt. Der neue Bonner Kapellmeister Daniel ­Johannes Mayr am Pult des Beethoven ­Or­chesters Bonn sorgt für eine opulente Klangkulisse. Gespielt wird Webbers neu komponierte Fassung für großes Sinfonie-­Orchester. Und das BOB beweist perfekt, dass es auch großes Kino für die Ohren liefern kann.
Am Ende greift Norma zur Pistole. Joes Leiche im Swimmingpool schrieb Filmgeschichte. Als erträumte Salome tritt die wahnsinnige Mörderin vor die Kameras. Mit opernhaft tragischer Fallhöhe aus der Illusionsmaschinerie von Hollywood. Großer Premierenbeifall. Auch für klassische Opernfans entschieden empfehlenswert. Für Musical-Freunde ein absolutes Muss.
E.E.-K.

Spieldauer ca. 2,5 Std., inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen:
9.12. // 15.12. // 31.12. // 5.01. // 27.01.
z. T. nur noch Restkarten, Alle anderen Aufführungen sind ausverkauft!

Freitag, 12.01.2018

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Letzte Aktualisierung: 29.03.2024 14:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn