Glänzende Aussichten - Theater Marabu - kultur 139 - Oktober 2017

Glänzende Aussichten
Foto: Ursula Kaufmann
Glänzende Aussichten
Foto: Ursula Kaufmann

Wozu das Theater

Zehn junge Schauspieler suchen ein Stück. Am liebsten würden sie ja das ganze Theater entflammen, was jedoch keine ganz neue Idee ist und außerdem Probleme mit dem Brandschutz bringt. Sie haben viel gelernt über den „Leeren Raum“ und postdramatische Konzepte. Sie wissen, dass sie nicht sind,was sie spielen – auf der Bühne und im wirklichen Leben. Sofern es dieses jenseits der Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, überhaupt gibt. Sofern es überhaupt Bedeutung gibt. Die Welt mit Kunst verändern: Tolle Idee! Aber läuft nicht jeder Protest nur auf die Bestätigung der bestehenden Verhältnisse
hinaus? Hilfe suchen bei den toten Dichtern? Aus einem Rucksack purzelt ein Haufen Reclamhefte, ein paar Zeilen werden anzitiert und verworfen. Also Smartphone-Konferenz (inkl. lustig animalischer Klingeltöne) und Demokratie bei allen Entscheidungen. Auch zweifelhaft, denn möglicherweise wird jedes Gespräch bei Big Data direkt für Marketingzwecke ausgewertet. Also alles wieder auf Anfang und die Frage stellen:Wo komme ich her und wo will ich hin? Bis die Schlagzeugerin im Hintergrund loslegt und mit dem Gitarristen in die Rolle eines Moderatorenpärchens schlüpft, das selbst TV-Show-Fans das Fürchten lehren könnte.
Ein Stück hat das Junge Ensemble Marabu (JEM) gefunden: Glänzende Aussichten, 2015/16 entwickelt von Schauspiel-Studierenden des Mozarteums Salzburg zusammen mit dem Autor Martin Heckmanns. Es ist eine Textfläche ohne feste Rollen und Dramaturgie. Unter der künstlerischen Leitung der Ur-Marabus Tina Jücker und Claus Overkamp haben sich die jungen Erwachsenen – alle keine Bühnenprofis, auch wenn mehrere schon in anderen Theaterproduktionen mitwirkten – eigene Schneisen durch das Satzdickicht geschlagen.
Der Chor der sonnenbebrillten Mütter, die in den 1990er Jahren die skeptische Generation Y zeugten, hat kaum Antworten parat für die Existenzfragen der Söhne und Töchter. Deren Bühne ist nicht leer, sondern eher überfüllt von virtuellen oder echten Rollenangeboten. „Nur Differenz und Wiederholung, jedenfalls in meinem Leben“ repetiert notorisch eine Spielerin. Im transparenten Negligé gibt eine Blondine kichernd den Traum von der reichen jungen Witwe, mitsamt Windmaschine für Flatterhaar und -kostüm. Einer probiert den arrivierten Banker mit Plastikperücke und nervösen Krawattenproblemen. Korrektes Sozialverhalten, Gendergerechtigkeit, Liberalität – alles prima. Aber irgendwann kreist die Zeit hübsch allegorisch auf einem Kinderfahrrad durch die Weltverbesserungstiraden. Leider nicht zu stoppen und wie Fortuna nur hinterrücks amSchopf zu packen.Immerhin gibt es einen schlauen Fuchs, der nicht nur kleine Prinzen auf dem Globus haben möchte und das absurde Spektakel frech kommentiert, während der Rest erschöpft seine „glänzenden Aussichten“ hinter einer Tür nach Irgendwo sucht. ImTheater angekommen sind siemit ihrer heiter selbstironischen Performance sicher:
Sarah Braun, Philipp Distler, Kai Gerschlauer, Leandra Hoffmann, Charlotte Kaldenhoff, Joshua Koch, Alexander Preiss, Aaron Schicht, Paula Veneema und LeaWeber spielen mutig Spielfiguren auf der Suche ihrer Zukunft. Viel Beifall bei der ausverkauften Premiere.
E.E.-K.
SPIELDAUER CA. 70MINUTEN, KEINE PAUSE
DIE NÄCHSTEN VORSTELLUNGEN:
9.10. // 23.11. // 7.12. // 8.12.17
Empfohlen für Publikum ab 15 Jahren.

Freitag, 24.11.2017

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