Ben Becker - kultur 138 - Juli 2017

Ben Becker kommt mit Judas-Programm in die Bonner Oper - Drahtseilakt zwischen Schuld und Sühne

von Thomas Kölsch

Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. „Ja, hat er.“ Judas hat mit seinem Verrat an Jesus Schuld auf sich geladen, davon ist Ben Becker überzeugt. Und doch hält der 52-Jährige, der zu den bes­ten und zugleich polarisie­rendsten deutschen Schauspielern seiner Generation gehört, das bestehende Bild des Ischariot für unausgewogen. Mehr noch: Er, der nach eigenen Angaben allergisch auf Betrug und Hinterlist reagiert, nimmt Judas tatsächlich in Schutz. „Ich glaube, dass er seine Tat nicht ausführen wollte, aber auch wusste, dass es sein gott­gegebener Auftrag war“, sagt Becker und folgt damit der Argumentation des großen Altphilologen, Schriftstellers und Kritikers ­Walter Jens, der in seinem letzten Roman Der Fall Judas eine Verteidigungsrede des umstrittenen ­Apostels vorlegte. Damit Jesus stellvertretend für die Sünden der Menschen sterben konnte, musste Judas also stellvertretend für sie fallen. Eine interessante These, die Becker dazu bewogen hat, den Text in den Mittelpunkt eines abendfüllenden Programms zu stellen. Mit diesem kommt er im September in die Bonner Oper – und freut sich schon sehr darauf, auf der großen Bühne das gesamte dramatische Repertoire abzurufen, das ihm zur Verfügung steht.

Das Jens'sche Monodrama hat Becker mit Passagen aus dem Matthäus-Evangelium und Zeilen aus Judas von Amos Oz kombiniert. „Ein Abend wie ein Triptychon“, sagt er und lacht herzhaft. „Ich liebe das, so wie ohnehin ­existenzielles Theater. Ich habe dieses Programm ja bislang vor allem in Kirchen gespielt, und die Konfrontation von Jesus und Judas mit der Frage über unsere eigene Schuld im Hintergrund finde ich einfach ungeheuer stark. Wenn ich es schaffe, dass die Leute hinterher rausgehen und noch zwei Tage später darüber nachdenken, was da behandelt wurde, habe ich was erreicht. Und dabei ist es nebensächlich, wie viele ich erreiche. Mir sind 200 Leute bei Paul Celan oder Walter Jens lieber als vier Millionen vor dem Fernseher.“

Für dieses Ziel gibt Becker alles. Vor allem für seine großen Gesten und einen donnernden, aufbrausenden und alle Register ziehenden Sprachstil ist er berühmt; doch vom Pathos, der ihm immer wieder nachgesagt wird, will der Schauspieler mit der einzigartigen Bass-Stimme nichts wissen. „Ich weiß gar nicht, warum man mir den immer wieder vorwirft“, sagt er. Dabei ist der Begriff gar nicht so abwegig, zumindest wenn man ihn nicht so abwertend gebraucht, wie es heute allgemein üblich ist, sondern ihn gemäß der klassischen Rhetorik verwendet. Überzeugen mit Emotion – darauf versteht Becker sich nun einmal wie kein zweiter. Er ist jemand, der ebenso hell wie schnell brennt, der von seiner Leidenschaft zehrt und sich mitunter vor seinem eigenen Feuer in Acht nehmen muss. „Ich habe in der Regel Leute um mich, die aufpassen, dass ich mich nicht verliere“, gesteht er denn auch. „Das geschieht aber selten. Meistens weiß ich selbst in den lautes­ten Momenten ziemlich genau, wohin ich will.“

Leicht macht Becker es sich damit allerdings nicht. Will er auch gar nicht. „Das Leben und vor allem die Kunst ist für mich wie ein Drahtseilakt“, sagt er. „Man muss permanent aufpassen, dass man nicht hinunterfällt.“ Selbst wenn man strauchelt. Passiert jedem mal. Auch Becker, der auf seinem schmalen Grat besonders anfällig ist. Vielleicht ein Grund, weshalb er sich bis zu einem gewissen Grad zum christlichen Glauben hingezogen fühlt. „Ich hadere noch mit mir“, sagt er. „Ich habe diese Lehre erst spät in meinem Leben für mich entdeckt und bin noch nicht sicher, ob ich dafür bereit bin. Allerdings finde ich Jesus unglaublich sympathisch und fühle mich in seiner Nähe einfach wohl.“ Womit sich auch wieder der Kreis zu Judas schließt. „Es ist wirklich erstaunlich, dass ich mich mit dieser Figur so identifizieren kann“, gesteht Becker. „Ich verstehe es selbst nicht. Wir zwei haben uns irgendwie gefunden, und auch wenn ich nicht Judas bin, habe ich doch große Freude daran, ihn zu vertreten.“


Ben Becker mit seinem Programm „Ich Judas“ können Sie am 24.09.17 im Rahmen der ­Reihe „Quatsch keine Oper“ ­erleben.
Bei der Theatergemeinde gibt es Karten im Rahmen des neuen Abonnements 269 „Quatsch keine Oper II“, das Sie ab sofort buchen können.
Eventuelle Restkarten gibt es für Mitglieder auch einzeln ermäßigt bei der Theatergemeinde Bonn.

Dienstag, 12.09.2017

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