Jochen Malmsheimer - kultur 136 - Mai 2017

Jochen Malmsheimer
Foto: Jochen Malmsheimer
Jochen Malmsheimer
Foto: Jochen Malmsheimer

Liebhaber von Verstand und Zunge:
Jochen Malmsheimer lobt die Schönheit der Sprache

von Thomas Kölsch
Es gibt einige Begriffe, die Jochen Malmsheimer nicht mag, schon gar nicht im Zusammenhang mit seiner Person. „Wortgewaltig“ etwa, oder „Sprach­akrobat“. „Scheußliche Konstruktionen“, sagt er. „In dem einen lauert die Gewalt, die ich bei dem, was ich auf der Bühne tue, grundsätzlich ablehne. Und für einen Akrobaten bin ich schlichtweg zu füllig.“ Wie also beschreibt man diesen Mann dann, der wie kein anderer Kabarettist Wörter zu schmieden und Geschichten zu weben versteht, die sowohl in ihrer Absurdität als auch in ihrer Eleganz einzigartig sind? Wie lässt sich jemand fassen, der sich an verbalen Anachronismen ergötzt, genüsslich jede Silbe goutiert und in epischen, nein, titanischen Satzgebilden voller Inbrunst schwelgt? In welcher Rolle sieht er sich selber? „Ich bin ein glutvoller und heißblütiger Liebhaber der Sprache“, bekennt Malmsheimer lachend. „Und ihr treuer Diener.“

Das besondere Verhältnis zwischen Malmsheimer und den Worten hat sich schon in frühes­ter Kindheit entwickelt. „Ich erinnere mich noch gut an die Geschichte vom standhaften Zinnsoldaten, in der alle Spielsachen nachts lebendig wurden. Als Fünfjähriger war ich total fasziniert und habe oft abends darauf gewartet, dass das auch in meinem Zimmer passiert.“ Später, nach Abitur und Wehrdienst, nahm Malmsheimer ein Germanistik-Studium auf, das er aber zugunsten einer Buchhändlerlehre abbrach. Weniger Analysen und Götzendienst, mehr Poesie und Genuss. Zusammen mit Frank Goosen bildete er das Duo Tresenlesen, ein literarisches Blues-Brothers-Gespann, das sich inbrünstig mit den Feinheiten der deutschen Sprache auseinandersetzte – und zwar ausschließlich aus Spaß an der Freude. Beide verfolgen auch heute, 17 Jahre nach ihrer Trennung und dem Beginn ihrer jeweiligen Solo-Karrieren, diesen Ansatz. Und zwar zumindest im Falle Malmsheimers mit Nachdruck.

Im Œuvre des 55-Jährigen gilt eigentlich nur eine Prämisse: Die Leidenschaft ist alles. „Ich schreibe meine Programme nicht, um irgendwelche Botschaften zu vermitteln, auch wenn man diese durchaus zu finden vermag“, sagt Malmsheimer. „Ich mache das zu meinem Vergnügen. Deshalb wehre ich mich auch gegen Fragen zu meinem Konzept. Der Begriff hat etwas Berechnendes, und das entspricht meiner Persönlichkeit überhaupt nicht.“ Nicht umsonst sind schon die Titel seiner Soli so abstrus, dass jeder Versuch, eine klare Linie zu erkennen, von vornherein zum Scheitern verurteilt sein dürfte. „Dogensuppe Herzogin – ein Austopf mit Einlage“ heißt es aktuell. Irgendwas mit Venedig, aber spielt das überhaupt eine Rolle? Nur am Rande. „Selbst mich lassen meine Einfälle mitunter ratlos zurück“, gesteht Malmsheimer lachend. „Bei mir kommt immer zuerst die Überschrift, danach dann der Rest.“ Obwohl diesmal auch ein anderer, ernsterer Aspekt eine große Rolle gespielt hat. „Das geis­tige Klima, das derzeit nicht nur in Deutschland herrscht und Erscheinungen wie die AfD begünstigt, diese zerebrale Fäulnis hat mich dazu getrieben, mich relativ deutlich zur Parteipolitik zu äußern, obwohl ich das eigentlich gar nicht mag. Am liebs­ten würde ich ja nur Spaß machen, aber diesmal ging es nicht anders.“ Also ruft er die Helden der Literatur zu Hilfe: Robin Hood, Long John Silver, Käpt'n Ahab, Jim Knopf, Odysseus. Vereint gegen den braunen Klärschlamm. „Das Schöne an Helden ist ja, dass sie alles zum Guten wenden können. Und schließlich wünsche auch ich mir eine heile Welt.“

Trotz allem kommt Jochen Malmsheimer immer wieder zu seinem zentralen Anliegen zurück: Dem Hochhalten der Fa­ckel von Zunge und Schrift, die viele offenbar nicht mehr zu würdigen wissen. „Ich beklage die Gedankenlosigkeit und Bequemlichkeit, mit der viele Sprache verwenden“, sagt er. „Die Sprache selbst tangiert das nicht, die kann das vertragen. Mit der germanischen Lautverschiebung ist sie ja auch klargekommen, oder mit dem Einfluss des Französischen und des Englischen. Mir tun nur die Leute leid, die sich selbst ihrer Schönheit berauben.“


Sie möchten Jochen Malmsheimer live erleben?

Er tritt am 10.05., 20 Uhr im Pantheon in Beuel mit seinem Programm „Dogensuppe Herzogin - Ein Austopf mit Einlage“ auf.
Bei Redaktionsschluss war die Veranstaltung ausverkauft, es gibt aber einen ­Zusatztermin: 15.09.17

Donnerstag, 31.08.2017

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