Manuel Zschunke - kultur 135 - April 2017

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Manuel Zschunke –
Alev, Tobbi, Romeo und der Detektiv Pritchet

Bereits 2002 wirkte er mit bei der Uraufführung der Kinderoper Dr. Popels fiese Falle von Moritz Eggert. Seinen allerers­ten Auftritt an der Frankfurter Oper hatte Manuel Zschunke jedoch schon etwas früher als Kinderstatist in Manon Les­caut. „Das Theater war immer Teil meines Lebens“, erklärt der 1991 in Frankfurt/Main geborene Schauspieler. „Begonnen hat meine Bühnenkarriere eher zufällig. Der Mann einer Nachbarin leitete die Statisterie der Oper und lud mich zum Mitmachen ein. Von der Kinderstatisterie wechselte ich als Sopran in den Kinderchor, wirkte als Statist beim Schauspiel mit und war als Schüler in Theater-Jugendclubs aktiv.“ Er ging an das traditionsreiche Frankfurter Lessing-Gymnasium mit den Schwerpunkten Latein und Musik, das gelegentlich mit der Oper kooperiert. So auch bei Eggerts witzigem Kinderstück.
Zschunkes Familie ist musikalisch und literarisch sehr engagiert, seinen ersten Klavierunterricht erhielt er von seiner Großmutter. Dass er sich an seiner Schule für den Musik-Leistungskurs entschied, lag ebenso nahe wie seine Begeisterung für das Theater. 2006 spielte er am Schauspiel Frankfurt Macduffs Sohn in Shakespeares Macbeth. Regie führte André Wilms; Dramaturg der Produktion war Jens Groß, derzeit stellvertretender Schauspielchef in Bonn.
Als wirklich prägende Erfahrung nennt Zschunke seine künstlerische ‚Schulung‘ am privaten Frankfurter Studio für Theater und Tanz Sybille Sohl. „Sie war eine fabelhafte Lehrerin. Es war eine tolle Zeit, in der ich mit anderen Jugendlichen eine Menge ausprobieren konnte. Ich habe da zum ersten Mal ein Ensemble-Gefüge erlebt, wo man gemeinsam Vorstellungen (im doppelten Wortsinn) entwickelt und zusammen auch sonst viel unternimmt.“
2010 wirkte Zschunke dann wieder auf der großen Bühne mit in Michael Thalheimers Inszenierung Ödipus/Antigone. „Eine großartige Erfahrung, obwohl es ziemlich anstrengend war, in dem riesigen Chor fast vier Stunden herumzustehen und Texte zu sprechen. Natürlich war es wunderbar, mit solch prominenten Kollegen wie Constanze Becker und Marc Oliver Schulze zu arbeiten, sie aus der Nähe wahrzunehmen und von ihnen Anregungen zu gewinnen.“ Es war also bloß konsequent, dass Manuel Zschunke nach dem Abitur nur einen Beruf anstrebte: Schauspieler. Nach den klassischen Vorsprechen an verschiedenen staatlichen Schauspielschulen erhielt er 2011 einen Studienplatz an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig, wo er 2015 seine professionelle Ausbildung mit einem Diplom abschloss. „Leipzig ist immer noch eine total aufregende Stadt. Die Zeit dort war sehr intensiv und spannend. Das gelernte Handwerkszeug konnte ich dann parallel zum Studium ausprobieren am Studio Neues Theater Halle. Ehrlich gesagt, wäre ich lieber bei der Kommilitonen-Gruppe gelandet, die das große Los Dresden gezogen hatte. Im Nachhinein finde ich die Lehrzeit im kleineren Halle aber sogar besser. Es gab da viele erfahrene ältere Kollegen, die uns jungen Anfängern eine Menge Respekt und Selbstbehauptungs-Energie abverlangten. Bitte nicht missverstehen: Es waren wunderbare Menschen, von denen man für die Bühnenpraxis ungeheuer viel lernen konnte. Wahrscheinlich sogar mehr, als wenn man widerstandslos nur in geschützten Freiräumen agiert hätte. Von einem Fest-Engagement direkt nach dem Examen habe ich kaum zu träumen gewagt. Dazu gehört immer viel Glück.“
Manuel Zschunke gehörte zu den Glücklichen, ist seit der Spielzeit 2015/16 Mitglied des Bonner Schauspiel-Ensembles und stellte sich dem Publikum gleich in der großen Rolle des jungen Zynikers Alev vor in Spieltrieb nach dem Roman von Juli Zeh. Die Werkstatt-Inszenierung von Laura Linnenbaum steht auch in der laufenden Saison auf dem Spielplan – mit einer durchschnittlichen Platzauslastung von über 90%. „Dass man mir dann gleich zum Spielzeit-Auftakt 2016/17 in den Kammerspielen Shakespeares Romeo anvertraute, hat mich sehr gefreut. Die Rolle ist allerdings extrem besetzt von Erwartungen, denen man nicht hinterherrennen darf. Das macht es schwierig, eine eigene Position zu behaupten.“
Dass ihn Alois Reinhardts kleiner Sohn immer noch mit „Tobbi“ anspricht, stört Manuel Zschunke überhaupt nicht. Das Familienstück „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ hat ihm großen Spaß gemacht. „Ich spiele gern für Kinder. Es ist eine dankbare Aufgabe. Man bekommt so viele Reaktionen. Oft wünsche ich mir das auch bei anderen Stücken.“ Vor den Aufführungen in den Kammerspielen spricht er sich regelmäßig ein. „Ich arbeite dort wirklich sehr gern, aber auf der großen Bühne muss man die Stimme anders einsetzen als in der Werkstatt. Ich bin froh, dass wir beim Studium in Leipzig sprechtechnisch gründlich ausgebildet wurden. Eine ziemliche Herausforderung ist jedes Mal Nathan. Obwohl ich nur eine kleine Rolle (Klosterbruder / Derwisch) habe, muss ich mich immer intensiv vorbereiten. Volker Loeschs Inszenierung arbeitet mit viel Energie, was mir total gefällt. Ich finde auch die jungen Kollegen super, die mit vollem Einsatz das schwierige Sprechen im Chor hervorragend meistern.“
Ganz anders ist die Herausforderung bei den Gesprächen deutscher Ausgewanderten in der Werkstatt. „Die artifizielle Spielweise ist anstrengend und fordert hohe Konzentration.“ Wieder anders sind die überzeichneten Figuren in Der Zorn der Wälder. Zschunke spielt den Privatdetektiv Pritchet, der bei seinen Recherchen in ein merkwürdiges ­Dickicht aus Weltflucht und politischen Utopien gerät. Die Arbeit mit dem Regisseur Marco Štorman fand er beeindruckend: „Sehr genau, mit einem präzisen Rhythmus, der trotzdem spielerische Freiheit lässt.“ Gespannt ist er nun auf die Stückentwicklung BND – Big Data is Watching You mit Simon Solberg. Wenige Tage nach unserem Gespräch beginnen die Proben. „Fertige Dialoge gibt es noch nicht, nur eine Menge Material“.
Natürlich hat Manuel Zschunke auch in diversen Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt, zuletzt in der Regie von Florian Henckel von Donnersmarck in Werk ohne Autor. Das prominent besetzte Filmdrama soll im kommenden Herbst in die deutschen Kinos kommen. Derzeit steht jedoch ganz klar das Theater im Vordergrund. Begeistert ist er von dem Bonner Schauspiel-Ensemble. „Es sind tolle Kollegen, von denen man viel lernen kann. Es ist spannend, dass ich so unterschiedliche Rollen spielen darf und bei jeder Arbeit Neues erlebe. Abwechslung macht das Theaterleben aus.“ Manuel Zschunke bleibt deshalb gern weiter in Bonn.

Donnerstag, 31.08.2017

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