Der Sturm - Kammerspiele (Theater Bonn) - kultur 135 - April 2017

Der Sturm
Foto: Thilo Beu
Der Sturm
Foto: Thilo Beu

Schiffbruch auf
Prosperos Theater-Insel


Der Effekt ist gelungen. Die Bühne hebt sich und gewährt einen kurzen Blick in die Untermaschinerie. Dann flattern hölzerne Stangen im Wind. Denn der Magier Prospero, einst Herzog von Mailand, hat einen sehr künstlichen Sturm entfacht. Damit seine Feinde stranden auf genau der einsamen Insel, die nach seiner politischen Entmachtung sein Zauberreich wurde. Genauer gesagt: ihre kleine Kolonie, denn Prospero ist weiblich in der Inszenierung des Iren Gavin Quinn, der am Bonner Schauspiel bereits Regie führte bei Huxleys Schöne neue Welt. Birte Schrein spielt Prospero, der konsequent Regie führt in Shakespeares letztem, 1611 verfasstem Drama, mit dem er sich von seinem Publikum verabschiedete. Nicht ohne vorher noch mal die ganze Magie der Bühnenkunst ins Werk zu setzen: Illusion, witzige Verfremdungen, puren Irrsinn. Schreins verzweifelter Epilog hat das großartige Format, auf das man ansonsten etwas mühsam warten muss.
Ihrem naiven Töchterchen Miranda (Lydia Stäubli) hat Prospero eine Cyberbrille verpasst. In einer virtuellen Realität bewegt sich auch der junge Ferdinand (Philipp Basener), bis Mirandas Geburtstagskuchen zur Hochzeitstorte mutiert: „Just Married“. Das ging immerhin flott. Währenddessen trauert Alonso, Königin von Neapel (Ursula Grossenbacher), mütterlich um ihren anscheinend beim Schiffbruch ertrunkenen, de facto aber recht lebendigen Sohn Ferdinand. Ihr Bruder Sebastian (Glenn Goltz) und Prosperos Bruder Antonio (Wilhelm Eilers) schmieden derweil eigene Herrschaftspläne. Dummerweise haben die hochadeligen Typen den Umgang mit einfachem Handwerkszeug nicht gelernt. Ihr Versuch, sich aus Schiffstrümmern ein Zelt zu bauen, scheitert folglich kläglich. Glücklicherweise gibt’s hilfreiche Bühnenarbeiter, denen man bei der Arbeit zuschauen kann, und offenbar sogar einen Pizza-Dienst. Die leeren Kartons kriegt der ehrliche alte Gonzalo. Barbara Teuber gibt die vom intriganten Gesocks an den Rand des Geschehens bugsierte Utopistin, die als einzige wirklich was zu sagen hat. Was aber keiner hören will in diesem entlarvenden Taumel, bei dem Übermutter Prospero im Hintergrund die Fäden zieht.
Warum Regisseur Quinn diverse Rollen weiblich besetzt hat, erschließt sich nicht direkt. Vielleicht liegt es an der aktuellen Situation im Vereinigten Königreich, wo eine konservative Premierministerin am harten Brexit arbeitet, während die schottische Ministerpräsidentin und die nordirische Erste Ministerin für den Verbleib in der Europäischen Union plädieren. Die Macht hat keineswegs nur männliche Gesichter. Außerdem hätte es wahrscheinlich keinen Shakespeare gegeben ohne das goldene britische Zeitalter unter der Regentschaft von Elizabeth I., die dem Theater eine Blütezeit bescherte. Erkauft auch durch Ausbeutung ferner Länder.
Die interessanteste Figur der Aufführung ist Alois Reinhardt als animalische Hexenbrut Caliban, der seine Insel wieder beherrschen will, während er wütend den Plastikmüll seiner Gebieter wegschafft und sich mit trinkfes­ten Inseltouristen verbündet. Hajo Tuschy und Sören Wunderlich spielen die Narren Trincolo und Stephano, die außer Suff und Sonnenbrand nicht viel zu bieten haben.
Die schönste Figur ist der Luftgeist Ariel mit seinen riesigen schillernden Flügeln. Laura Sundermann verkörpert die androgyne Gestalt als pure Poesie und stürmisch nach Selbstbestimmung verlangendes Naturwesen.
Im hölzernen Labyrinth (Bühnenbild: Aedin Cosgrove) wandern die Mächtigen als Fremdkörper umher. Einige können das Intrigieren nicht lassen. Die indigenen Inselbewohner kämpfen um ihre Freiheit. Zwei barfüßige Clowns mit Flipflops und bunten Hemden (Kostüme: Alissa Kolbusch) machen alberne Witze, zwei verblendete junge Menschen verlieben sich. „Die Insel ist ein Stadttheater“, schreibt Jens Roselt im Vorwort zu seiner neuen Übersetzung von Shakespeares Sturm, die in Bonn gespielt wird.
Regisseur Prospero zerbricht den Bühnenzauber bekanntlich am Ende selbst. Und beweist gerade damit die Magie des Theaters. Fürs Publikum hat er das Spiel inszeniert. Ohne dessen Zuspruch müsste er verzweifeln und ewig im Bann seiner Insel bleiben. Erlösender, wenn auch etwas ratloser Beifall.

Hinweis:
Die am 5. März vorgesehene „Nachgefragt“-Veranstaltung der Theatergemeinde zu ­Shakespeares „Sturm“ musste leider kurzfris­tig abgesagt werden. Sie wird am 7. Mai nachgeholt. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2½ Std. inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen: 31.03. / 13.04 / 21.04. / 5.05. / 13.05.17

Donnerstag, 31.08.2017

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