Titanic-Herausgeber Martin Sonneborn kommt in die Bonner Oper - kultur 131 - Dezember 2016

Martin Sonneborn
Foto: © Quatsch keine Oper
Martin Sonneborn
Foto: © Quatsch keine Oper

"Ich betreibe ernsthafte Politik mit satirischen Mitteln"

von Thomas Kölsch

Wenn die Politik immer satirischer wird, dann muss die Satire eben politischer werden: Dieses Motto bestimmt einen großen Teil des Wirkens von Martin Sonneborn. „Was ich mache, ist eine legitime Form der Auseinandersetzung“, sagt der Herausgeber der „Titanic“, der seit 2014 für die von ihm gegründete Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (die PARTEI) im Europaparlament sitzt. „Es gibt hier und auch global so viele unberechenbare Mitspieler, die man am liebsten nicht ernst nehmen möchte und doch ernst nehmen muss, dass es nur konsequent ist, wenn ich ebenfalls mitmische.“ Nur eben auf seine Weise. Ohne Rücksicht auf Verluste. Manche mögen die Aktionen des Satirikers für unangemessen, sein politisches Wirken gar als grotesk bezeichnen – und könnten sich dabei bis zu einem gewissen Grad der Zustimmung Sonneborns sicher sein. Denn genau darum geht es ihm ja: Zu zeigen, was ein System ermöglicht, das auf Qualifikationen ebenso wenig Wert legt wie auf Inhalte. „Diese Situation hatten wir in Deutschland zum Beispiel nach 2000 – deswegen haben wir die PARTEI ja überhaupt erst gegründet“, sagt der 51-jährige.

Dabei geht es Sonneborn nicht darum, alles zu dekonstruieren. „Ich betreibe ernsthafte Politik mit satirischen Mitteln“, behauptet er vielmehr und verweist auf den Erfolg der isländischen Partei „Besti flokurinn“: Auch sie war ursprünglich eine Spaßpartei, bestehend aus Anarchisten und Komikern, deren Slogan „Mehr Punk, weniger Hölle“ zusammen mit ihrer Unbekümmertheit und ihrem völligen Gegenentwurf zum politischen Establishment aus dem Stand 34,7 Prozent der Stimmen bei der Kommunalwahl 2010 erhielt. Auf einmal stellten die Punks den Bürgermeister von Reykjavík, mussten eine verkrustete und von der Bankenkrise in Bedrängnis gebrachte Stadt wider auf die Beine bringen – und schafften es innerhalb von vier Jahren, die Finanzen zu sanieren, die Schulen neu zu organisieren und ein zweistelliges Wachstum anzustoßen. Und all das dank einer Partei, die von Protestwählern an die Macht gebracht wurde. „Schöner kann es doch nicht laufen“, sagt Sonneborn. „Auch die PARTEI steht ja für Bürger, die sich von etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Und immerhin politisieren wir viele junge Leute, von denen viele sich irgendwann entweder bei uns engagieren oder weiterziehen.“ Wie lange dies allerdings noch gut gehen kann, steht auf einem anderen Blatt: Derzeit kämpft die PARTEI gegen finanzielle Forderungen der Bundestagsverwaltung in Höhe von fast einer halben Millionen Euro. „Wir haben das selbe Schlupfloch genutzt wie die AfD mit ihrem Gold-Shop“, erklärt Sonneborn. Nur eben bewusst offensiv und überspitzt: Die PARTEI hatte Bargeld zum Verkauf angeboten, um einen hohen Umsatz zu generieren und auf diese Weise zusätzliche staatliche Zuwendungen zu erhalten. Der Bundestag hat das dazugehörige Gesetz entsprechend geändert und fordert nun die zuvor anstandslos gezahlten Beträge in Höhe von 72.000 Euro sowie eine Strafzahlung von 384.000 Euro. Sonneborn hat bereits angekündigt, notfalls durch alle gerichtlichen Instanzen zu gehen, um dies abzuwenden – alleine weil das Satirepotenzial der PARTEI noch längst nicht ausgeschöpft sei. „So lange wir uns nicht wiederholen und langweilig werden, machen wir weiter“, sagt er.

Doch wie geht man als Satiriker und Politiker mit Gestalten wie Donald Trump um? Als ers­terer weiterhin der Gesellschaft und dem ­System als Spiegel dienen, sagt Sonneborn – und als letzterer abwarten. „Ich habe keine Ahnung, was mit den USA geschehen wird. Allerdings hat mich die Wahl nicht sonderlich überrascht. Seit Sigmar Gabriel SPD-Vorsitzender geworden ist, wissen wir ja, das Polit-Clowns auch in Machtpositionen kommen können. Klar ist allerdings, dass wir mit Blick auf Trump demnächst eine Standortbestimmung vornehmen müssen.“ Sowohl im Kabarett als auch in der Diplomatie. Vielleicht wird das Thema ja auch in Sonneborns Programm Krawall und Satire angesprochen, mit dem er unter anderem im Rahmen der Reihe „Quatsch keine Oper“ nach Bonn kommt und in dem der 51-jährige ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern wird.

Dienstag, 24.01.2017

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