Sebastian Nitsch - kultur 129 - Oktober 2016

Sebastian Nitsch - Hellwachträumer
Foto: Pantheon Bonn
Sebastian Nitsch - Hellwachträumer
Foto: Pantheon Bonn

Rettung durch den Optimismus
- Sebastian Nitsch sucht das kleine Glück

von Thomas Kölsch

In gewisser Weise könnte man Sebas­tian Nitsch als Glücksbärchi des neuen deutschen Kabaretts bezeichnen: Immer lächelnd, immer freundlich, immer voller Optimismus. Lieber das kleine Glück suchen als die großen Probleme. Ein Selbstschutz, wie der 39-Jährige im Interview zugibt. „Ich bin jemand, der Sachen auch gerne mal konsequent zu Ende denkt – und wenn ich diesen Optimismus nicht hätte, würde ich wahrscheinlich extrem zynisch werden, was ich gerne vermeiden würde. Er rettet mich somit vor dunklen Gedanken.“ Was nicht heißt, dass Nitsch diese verdrängt oder ausblendet. Er lässt sich durch sie nur nicht sein Lächeln und seine Hoffnung kaputt machen und will diese Fähigkeit in seinen Programmen an sein Publikum weitergeben. „Auf der Bühne werde ich dafür immer wieder vom Publikum belohnt“, sagt Nitsch. Und von der Fachwelt anerkannt. 2015 erhielt er den Jurypreis des Prix Pantheon, in diesem Jahr das Schwarze Schaf des niederrheinischen Kabarettwettbewerbs. Seine poetischen Wortspielchen und Gedanken werden dabei gerne mit der großen Kunst Hanns Dieter Hüschs verglichen, mit der Nitsch auch tatsächlich sozialisiert worden ist. „Meine Mutter war eine große Bewunderin Hüschs, und auch mich hat dieser Typ nie wieder verlassen. Insofern macht es mich natürlich irgendwie stolz, mit ihm verglichen zu werden – aber ich mache ehrlich gesagt viel lieber mein eigenes Ding.“

Das ist ohnehin auf seine eigene Weise charmant, nicht zuletzt dank des besagten kleinen Glücks, das Nitsch an allen möglichen Orten findet. „Wenn ich zum Beispiel meine kleine Tochter trage und an ihren Haaren rieche, habe ich es schon gefunden“, erzählt er. „Oder wenn wir an einem See sitzen, in dem Kinder planschen und lachen. Das sind oft nur Momente, aus denen aber mehr entstehen kann. Glück per se ist ja ohnehin unbegrenzt groß, wir treten es im Alltag nur immer wieder klein und nehmen es nicht wahr.“ Ganz im Gegensatz zu Kindern. „Die haben so ein herrliches Wunderdenken“, freut sich Nitsch. Und er? Hat sich dieses bis heute erhalten. Als Hellwachträumer bezeichnet er sich in seinem aktuellen Programm, als jemand, der mit klarem Verstand die Welt erkennt und dabei auf dem Weg zum Ursprung allen Irsinns irgendwann abbiegt, um lieber zum Menschen zurückzukehren und mit diesem den Quell des Besseren zu suchen. „Mich interessiert weniger, was in der Zeitung steht, als vielmehr, wie die Leute die Zeitung lesen und mit den Inhalten umgehen“, sagt er.

Sebastian Nitsch gehört nicht zu jenen Kabarettisten, die alle Wahrheiten aufdecken, aussprechen und sich stellvertretend für das Publikum über die Ungerechtigkeit der Welt aufregen. Das wäre zu einfach – und wahrscheinlich auch zu bitter. „Das Publikum schließt sich bei mir selber auf“, erklärt Nitsch stattdessen. „Ich fordere sie auf, sich einfach mal fallen zu lassen und sich Zeit fürs Nachdenken zu nehmen.“ Auch über das eigene Handeln, die daraus resultierenden Konsequenzen und die eigene Zukunft. Diese Chance zur Selbstbefreiung muss jeder für sich selbst ergreifen. Und dabei ganz unterschiedliche Wege nehmen. Nitsch lebt es vor: „Ich selbst war lange zerrissen zwischen dem Wunsch nach einem festen, seriösen Job und meiner wilden kreativen Energie. Erst dachte ich, in der Werbeindustrie eine Lösung gefunden zu haben, aber dann hat es mich auf die Bühne gezogen. Das war für mich die Rettung aus einer Wüste von Ideenzetteln.“ Und dann? Hat sich alles so entwickelt. Auch das Mini-Keyboard, das der 39-Jährige immer um seinen Hals hängen hat, ist eher durch Zufall in die Hände seines Besitzers gelangt. „Ursprünglich wollte ich ja mit einer Jazz-Gitarre arbeiten, aber irgendwie hat das nicht funktioniert. Dann habe ich bei einer schwedischen Band diesen Mikro-Korg gesehen und habe alle Akkorde darauf übertragen, was natürlich völlig anders klingt als eigentlich geplant. Was ich mittlerweile spiele, ist in gewisser Weise entschleunigter Funk.“ Oder auch: Nachdenklicher Wahnwitz. Mit Tiefgang. Und einem kleinen bisschen Glück.

Donnerstag, 15.12.2016

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