Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Daniel Pannermayr - kultur 129 - Oktober 2016

Daniel Pannermayr
Foto: Daniel Pannermayr
Daniel Pannermayr
Foto: Daniel Pannermayr

Colline, Sarastro und eine Uraufführung beim Beethovenfest

Der junge Bass gehört seit Beginn der Spielzeit 2015/16 zum Solistenensemble der Bonner Oper. „Ich hatte großes Glück. Noch während des Studiums wurde ich hier zum Vorsingen eingeladen und bekam das Engagement. Die Oper Bonn hat bei den Hochschulen und Sängerkollegen trotz aller lokalen Diskussionen einen sehr guten Ruf und gilt als idealer Ort für vielseitige Bühnenerfahrungen.“
Seine erste Partie hier war die kleine Rolle des Bernardino in Benvenuto Cellini. In Verdis Jérusalem sang er den Emir von Ramla. Am Ende der vergangenen Saison kam noch der Oberpriester Osias in Holofernes hinzu. „Mein ­Kostüm wog an die 20 Kilo, was physisch schon recht anstrengend ist. Aber die szenische Arbeit mit dem Regisseur Jürgen R. Weber war eine sehr angenehme Erfahrung. Musikalisch hat mir die Begegnung mit einem unbekannten Werk des frühen 20. Jahrhunderts auch eine Menge neuer Einsichten gebracht.“ Viel Spaß gemacht hat ihm die Partie des Vaters in der Kinderoper Vom Mädchen, das nicht schlafen wollte. In der beliebten Bonner Zauberflöte, die in der poetischen Inszenierung von Jürgen Rose mittlerweile seit zwei Jahrzehnten im Repertoire ist, übernahm er den Sprecher. Diesen und den 2. Geharnischten gab er bereits als Student 2011 bei der Sommeroper im österreichischen Schärding. Den Sarastro sang er später in einer Berliner Hochschulproduktion und am Volkshaus Jena mit den Jenaer Philharmonikern. Nun freut er sich sehr darauf, bei der Wiederaufnahme im Winter diese Rolle in Bonn zu verkörpern.
In Madama Butterfly war er der Kaiserliche Gesandte und probt jetzt an einer neuen Puccini-Partie. In La Bohème singt er den Colline. „Ich mag diesen leicht skurrilen Philosophen und Bücherwurm ausgesprochen gern. Seine berühmte ‚Mantel-Arie‘ kommt zwar erst im vierten Bild, aber es gibt ja auch vorher einiges zu singen und zu spielen. Abgesehen davon, dass ich den Colline für nicht älter halte als die anderen Bohemiens – ich bewege mich ja öfter als älterer Mann auf der Bühne. Als Bass ist man halt so gut wie nie der strahlende Liebhaber, sondern meistens König, Vater oder gehörnter Ehemann und muss jedes Alter verkörpern können. Aber die Stimme darf nicht älter klingen, als man selbst ist.“ Die Premiere am 25. September wird Pannermayr nicht singen, sondern sein erfahrener Kollege Martin Tzonev, seit Jahren eine feste Größe im Ensemble. Pannermayr wird an dem Abend in der Nähe von Frankfurt bei einem Konzert mit festlichen Bach-Kantaten unter der Leitung von Alexander Grün mitwirken, der an der Oper Bonn als Regieassistent und Abendspielleiter tätig war. Den Tenor-Part singt übrigens Tamás Tarjányi, inzwischen fest engagiert am Münchner Gärtnerplatz-Theater.
Vorher steht noch ein Auftritt beim Bonner ­Beethovenfest auf Pannermayrs Programm. Beim Campus-Konzert mit dem Bundesjugendorchester am 15. September singt er die Bass-Partie in der Uraufführung eines Werkes des mexikanischen Komponisten Enrico Chapela. „Das Stück ist nicht leicht und rhythmisch ziemlich kompliziert.“ Pannermayr befasst sich gern mit ganz unterschiedlichen musikalischen Stilen und pflegt neben seiner Opernarbeit auch intensiv den Konzert- und Liedgesang. Im Juli nahm er mit einem befreundeten Pianisten am Meisterkurs „Liedgesang“ von Thomas Hampson und Wolfram Rieger bei der Schubertiade Hohenems teil und gestaltete auch wenig später einen Liederabend im Passauer Raum.
Pianist wollte der 1988 in Eggenfelden bei Passau geborene und in Bad Füssing aufgewachsene Pannermayr anfangs selbst werden. Mit fünf Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht. Am Musikgymnasium Passau belegte er einen Grundkurs Chor, wo sein Lehrer seine Stimme entdeckte und ihm zu einer weiteren Ausbildung riet. Er nahm also Gesangsunterricht im nahegelegenen Österreich – „dort gibt es ein tolles staatlich gefördertes Musikschulwesen“ – und begann nach dem Abitur ein Studium an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz bei den Professoren Andreas Lebeda und Robert Holzer. „Gesang ist für den Körper viel gesünder als Klavierspiel, wo man täglich viele Stunden sitzend üben muss. Die Klavierprüfung habe ich aber trotzdem noch gemacht.“
2011 wechselte er an die Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin in die Klasse von Kammersänger Roman Trekel. „Obwohl Linz wirklich eine fabelhafte Kulturstadt ist, wollte ich auch mal weg von der Donau und in einer Großstadt leben“. Weitere Impulse erhielt er in Kursen von Thomas Quasthoff und Kurt Widmer. Während des Studiums konnte er sich bereits ein umfangreiches Repertoire erarbeiten und diverse Bühnenerfahrungen sammeln. In Berliner Hochschulproduktionen sang er u.a. den Bartolo in Mozarts Figaro, den Osmin in der Entführung aus dem Serail und Falstaff in die Die lustigen Weiber von Windsor als Gast an der Musikhochschule Hannover.
2013 war er als Stipendiat des Richard Wagner Verbandes Berlin zum ersten Mal bei den Bayreuther Festspielen. 2014 brachte er dann eine mit der Berliner freien Truppe „operleben“ erarbeitete Parsifal-Kurzversion in der Bayreuther Porzellanfabrik „Walküre“ auf die Bühne: Eine auf ca. zweieinhalb Stunden reduzierte Kammerfassung mit vier Solisten und Klavierbegleitung. Pannermayr sang den Gurnemanz. „Natürlich waren die erzählerischen Passagen massiv gekürzt.“ Der Sänger lässt sich gern auf frische Experimente ein, die mit durchaus respektvollem Witz ein Werk untersuchen. Seit 2014 ist Pannermayr zudem Stipendiat des „Yehudi Menuhin Live Music Now“-Programms, das Konzerte professioneller junger Musiker in sozialen Einrichtungen ermöglicht.
In der gerade begonnenen Spielzeit gibt es für ihn größere Herausforderungen. Auf Colline und Sarastro folgt Masetto in Don Giovanni. Gespannt ist er auf den Fuhrmann Hobson in ­Brittens Peter Grimes und die Zusammenarbeit mit José Cura. „Es sind lauter schöne Partien und für eine noch wachsende Stimme gut machbar. Das schauspielerische Handwerk lernt man nach der Ausbildung vor allem durch die Praxis. Es gibt hier viele wunderbare Kolleginnen und Kollegen, die einem Tricks und Kniffe zeigen. Die Ensemble-Pflege ist ein Wert, den man gar nicht hoch genug einschätzen kann.“ Zukünftige Traumrollen? „Erst mal vor allem Neugier auf alles Mögliche. In der nächsten Zeit vielleicht Mozarts Figaro.“
Er muss indes schon langfristig planen. Am 5. Juni 2017 wird er im Dresdner Kulturpalast beim Festkonzert zum 50-jährigen Jubiläum der von Kurt Masur gegründeten Philharmonischen Chöre die Bass-Partie in Charpentiers ­ Te Deum singen und weiß diese Ehre zu schätzen. Eher nachdenklich selbstbewusst als ehrgeizig.

Donnerstag, 15.12.2016

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