Barbe-Neige... - Tanzgastspiel Laura Scozzi - Oper Bonn - kultur 127 - Juni 2016

Köstliches Tanzvergnügen



Der Titel sprach für sich: Da hat die freche Märchenfee viele alte Geschichten ordentlich durcheinander gewirbelt. Ein Zwerg wird von sieben liebeshungrigen Schneewittchen (Blanche Neige) heimgesucht. Dornröschen (La Belle au Bois dormant) weigert sich aufzuwachen und testet erst mal die herangaloppierenden Bewerber. Bis einer erschöpft eine Dose Bier verlangt und einschläft. Die drei kleinen Schweinchen (Petits Cochons) sind eine muntere Girlie-Bande, die ihr ferkelrosa Häuschen Rotkäppchens Großmutter für ein Schäferstündchen mit dem Wolf überlässt. Der wird von dem männlichen Rotkäppchen in einem wahnsinnig romantischen Pas-de-Deux gezähmt. Ein viriler schwarzer Blaubart (Barbe bleu) mit Bling-Bling-Kettchen treibt sein verführerisch blutiges Geschäft. Aschenputtels Traumprinz humpelt, was kein Wunder ist angesichts dessen, was sie und ihre Schwestern außer dem berühmten Schuh so alles nach der rauschenden Disco-Ballnacht verlieren. Ein gutmütiger Bär lässt sich indes von einem angriffslustigen Biene-Maja-Geschwader nicht stören und greift zum Insektenspray, bevor er einen Riesenfisch angelt. Dieser landet zwar nicht auf dem Speiseplan, darf dem Plüschteddy aber brav die Menü-Einkäufe in den Flossen hinterherschleppen. Was jenen zu einer rasanten Streetdance-Nummer mit einem Freund animiert.
Die italienische Choreografin und Musiktheater-Regisseurin Laura Scozzi (in dieser Spielzeit debütierte sie an der Bonner Oper höchst erfolgreich mit ihrer Inszenierung von Berlioz‘ Benvenuto Cellini) stellt die bekannte Märchenwelt unverschämt witzig auf den Kopf. Am traditionsreichen „Théâtre de Suresnes Jean Vilar“ hat sie mit acht Hip-Hop-Tänzern eine Show erarbeitet, die am koproduzierenden Pariser „Théâtre du Rond Point“ vierzig Mal restlos ausverkauft war und beim Bonner Gastspiel in der Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ ihre weltweit 175. Vorstellung feierte.
Zur Musik von Teufelsgeiger Paganini ist tierisch was los zwischen Grimm und Disneyland, quietschrosa Häschen und niedlichen Ballett-Bambis. Da greift die Fee mit putzigem Jägerhütchen zur Flinte, König Hirsch verliert seinen Kopf samt prächtigem Geweih, und die Cinderellas haben keine Lust auf hilfreiche Erbsenzähler-Täubchen. Bei den irre schnellen Kostümwechseln und skurrilen Überraschungen verliert man manchmal den Überblick, was dem Vergnügen aber nicht schadet. Auf weißen Turnschuhen zitiert die ­ani­mierte Truppe klassische Ballettfiguren, spielt mit akrobatischen Kunststücken und parodiert rabiat alle Klischees vom fabelhaften Märchenglück. Das lächerlich triste Ende vom Lied (gesungen wird nebenbei auch, ein paar Sätze hatte das frankophone Ensemble extra auf Deutsch einstudiert): Man hockt friedlich auf dem Sofa und glotzt bierselig Krimis, bis der Fernseher explodiert.
Für die Kinder im Zuschauerraum war das eine lustige Begegnung mit ihren Fantasie-Figuren aus Büchern und Kino-/TV-Comics. Für die Erwachsenen ein intelligenter Spaß voller charmanter Bosheiten, amüsanter Frivolitäten und mitreißender Tanzenergie. Nach 75 ‚saukomischen‘ Minuten gab es im Publikum nur fröhliche Gesichter und Riesenapplaus für das liebenswürdige Ensemble. E.E.-K.


Donnerstag, 06.10.2016

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