Orfeu e Euridice - Tanzgastspiel Companhía Nacional de Bailado (Lissabon) - kultur 126 - Mai 2016

Expressiver Todesreigen


Es gibt hier keinen rettenden Rokoko-Amor. Anders als in Glucks Oper endet die Geschichte in der Tanzversion der Choreografin Olga Roriz tödlich wie die Sage vom mythischen Sänger Orpheus. In wildem Taumel umkreisen die Bacchantinnen mit aufgelös­ten Haaren den einsamen verzweifelten Mann. Auf sinnlich starke Bilder setzt die Companhía Nacional de Bailado aus Lissabon in ihrer bewegenden Bearbeitung des berühmten Stoffes, der zahlreiche Komponisten, Choreografen, Bühnen- und Filmregisseure inspirierte. Zum 300. Geburtstag von Christoph ­Willibald Gluck 2014 schuf Olga Roriz, Doyenne des portugiesischen Tanztheaters, eine sehr emotionale Interpretation der zeitlosen Erzählung vom Verlust eines geliebten Menschen. Die hoch gepriesene Produktion war in der Karwoche an zwei Abenden in der Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ in Bonn zu Gast.
Als geschlossene Gruppe treten die 36 Tänzer anfangs auf und erobern wie ein energetischer Superorganismus den Raum. Auch die Männer tragen lange Röcke; die eleganten, vielfarbigen Kostüme von Nuno Carinhas sind eine Augenweide. Glucks Musik vom Band begleitet den Wechsel von großen Ensembleszenen und intimen Momenten. Das kurze Liebesglück wird vervielfacht: Ein Dutzend Paare findet sich zusammen, bis die Nymphen wie welkende Blumen niedersinken und den trauernden Männern nur noch die leeren Hüllen der Geliebten bleiben. Orpheus‘ ganzer Körper wird zu einer einzigen Klage, bis er schließlich die Erlaubnis zum Gang ins Schattenreich erhält. Es ist freilich eine teuflische Probe, denn wie soll er der Geliebten erklären, dass er sie auf dem Weg zurück ins Leben nicht anschauen darf? Zutiefst berührend ist sein großes Duett mit Eurydike, die ihn zärtlich umwirbt, bis die Sehnsucht nicht mehr beherrschbar ist. Am Ende steht der fatale Blick, der alle Liebesseligkeit und alle Schmerzen enthält. Wie eine lebendige Mauer trennen die anderen das Paar. Vorbei der Tanz der seligen Geister. Orpheus muss seine Eurydike von nun an zwischen den Toten suchen und umarmt ihre Leiche, bevor er den Furien erliegt.
Dominant sind die großen narrativen Gesten in diesem hochexpressiven, zwischen klassischen und modernen Bewegungsformen getanzten Todesreigen. Ein gespenstisch schöner Liebesalbtraum, aus dem das Publikum im ausverkauften Opernhaus nach 60 konzentrierten Minuten erwachte. Manche ein wenig enttäuscht über die Kürze des Abends und die nicht gerade brillante Klangkulisse. Der im Programmheft evozierte Vergleich mit Pina Bauschs legendärer „Orpheus“-Tanzoper war reichlich kühn. E.E.-K.

Donnerstag, 25.08.2016

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