Lloyd Webber, Andrew (*1948)

kultur 128 - Juli 2016

Der in Westminster (London) geborene Komponist ist der Sohn von William Soothcombe Lloyd Webber, Organist, Professor für Musiktheorie und Komposition sowie Direktor des London ­College of Music und der Pianistin Jean Hermione. Aufgrund seines Elternhauses kam Andrew bereits früh mit der musikalischen Weltliteratur, der englischen Folklore, der Kirchenmusik und insbesondere der englischen Musik des 20. Jahrhunderts in Kontakt. Er lernte Klavier und Waldhorn, besuchte die Guildhall School of Music und studierte Komposition am Royal ­College of Music. Andrew Lloyd Webber fühlte sich früh vom unterhaltenden Musiktheater angezogen; mit 14 Jahren unterschrieb er einen Kurzzeit-Vertrag bei der Noel-Gay-Theateragentur und verbuchte Erfolge als Komponist der Schulaufführungen des Westminster College. Aufgrund der Bekanntschaft mit dem Songwriter Tim Rice (*1944) brach Lloyd Webber sein 1965 als Stipendiat begonnenes Geschichtsstudium ab – er war leidenschaftlich an Architekturgeschichte vor allem der viktorianischen Epoche interessiert und verfasste mehrere Monographien zu diesem Thema. In Zusammenarbeit mit Rice entstanden in den folgenden Jahren so erfolgreiche Stücke wie Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat (in nicht weniger als sechs, dem jeweiligen Zeitgeist angepassten Versionen), Jesus Christ – Superstar und Evita, in dem der Lebensweg Eva Duartes (1919 – 1952), der zweiten Frau des argentinischen Diktators Juan Domingo Perón, nachgezeichnet wird.

1980 stellte Lloyd Webber auf dem von ihm gegründeten Sydmonton-­Festival sein neuestes Projekt vor – die Vertonung der Katzengedichte Old Possum’s Book of Practical Cats, die von dem Literatur-Nobelpreisträger Thomas Stearns Eliot (1888 – 1965) verfasst wurden. Im Jahr ­darauf erschien das Musical Cats, das sich in London 21 Jahre lang mit fast 9000 Vorstellungen auf dem Spielplan hielt.
Mit seinem nächsten Welterfolg Starlight Express (1984) übertraf Lloyd Webber alles bisher an finanziellem und bühnentechnischem Aufwand Dagewesene. Für dieses Pop-Spektakel um ein Eisenbahnrennen, bei dem alle Darsteller auf Rollschuhen agieren, mussten eigene Theater errichtet werden ( läuft in Bochum seit 1988).

1986 arbeiteten der Komponist und Tim Rice nochmals kurzfristig für das Gelegenheitswerk Cricket zusammen, das anlässlich des Geburtstages von Queen Elisabeth II. in Auftrag gegeben worden war. Bereits im Jahr zuvor hatte sich Lloyd Webber im Andenken an seinen 1982 verstorbenen Vater erstmals einer religiösen Komposition zugewandt: Das ­Requiem verbindet englische Chortradition mit kontinentalem Opernstil.
Einen Wendepunkt im Musikschaffen des Komponisten stellt das international erfolgreichste Bühnenwerk Phantom of the Opera (1986) dar. In diesem Werk besann sich Lloyd Webber auf das traditionellere Musical-Muster der 1950/60er Jahre: Die konventionelle Orchesterbehandlung schließt in diesem Werk Rockmusik gänzlich aus und ist mit raffiniert kopierten Stilelementen klassischer Komponisten ausgestattet. Webbers Bemühungen, sich auch als Komponist anspruchsvoller und weniger vordergründiger Stücke zu etablieren, manifestierten sich in den kammerspielartigen Aspects of Love (1989), der Adaption des Film-Noir-Klassikers Sunset Boulevard (1993) oder dem Stück The Beautiful Game (2000), das den Nordirland-Konflikt thematisiert.
2012 komponierte er zusammen mit Gary Barlow das Lied Sing zum diamantenen Thronjubiläum von Königin Elisabeth II., das beim Diamond Jubilee Concert aufgeführt wurde. Sein neuestes Musical, die erfolgreiche Bühnenversion des Films School of Rock, wurde im Dezember 2015 am Broadway uraufgeführt.

Vor allem in seinen Frühwerken wurde Lloyd Webber von den zahlreichen britischen Rockgruppen und -sängern wie beispielsweise den ­Beatles, den Rolling Stones, Pink Floyd, Elton John, Eric Clapton und Joe Cocker beeinflusst. Mit der Mischung aus avantgardistischem Rock, Jazz, Pop, Opernanklängen und atonaler Musik sowie dem Einsatz von ­E-Gitarren im Orchestergraben erweiterte Lloyd Webber die musikalische Sprache des Genres. Bereits 1977 gründete Lloyd Webber die Really Useful Company, mit der er seine eigenen und zunehmend auch fremde Werke produzierte. Dadurch konnte er seine Long-Run-Produktionen (lange laufende Werke) international in nahezu identischen und den multimedialen Anforderungen entsprechenden, eigens erbauten Musicalhallen aufführen lassen. Die weltweite Vermarktung seiner Musicals wie Cats und Starlight Express trug ihm den Ruf eines ausschließlich kommerziell kalkulierenden Musical-Giganten ein, von dem er sich mit seinen anspruchsvolleren Werken nicht lösen konnte.
Lloyd Webber gehören sieben Theater in London, eingeschlossen das Theatre Royal, Drury Lane und das London Palladium. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter ihnen sieben Tony Awards, fünf Grammy Awards, einen Golden Globe und einen Oscar für die Evita-Filmmusik. 1992 wurde er zum Ritter geschlagen und 1997 vom englischen Königshaus als Lord Andrew Lloyd Webber of Sydmonton geadelt. E.H.

Freitag, 08.07.2016

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 23.04.2024 17:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn