Alfred Mittermeier - kultur 122 - Januar 2016

Wurst für Herz und Hirn
- Alfred Mittermeier kommt ins Haus der Springmaus

von Thomas Kölsch

Die erste Extrawurst war immer eine Gelbwurst. Mit Hirn, also gut fürs Köpfchen. Kabarettist Alfred Mittermeier erinnert sich noch gut daran, an die frühen Besuche in der Metzgerei und die Belohnungen für ihn und seinen Bruder Michael. Doch in Zeiten, in denen es sprichwörtlich um die Wurst geht, erhält diese ­Anekdote eine neue Konnotation. Denn mehr Hirn, das würde der 51-Jährige vielen Menschen ebenso sehr wünschen wie mehr Herz. „Die Bereitschaft zur Hilfe ist ja da, stößt aber irgendwann auch an Grenzen“, sagt er im Interview mit der Theatergemeinde. „Es fehlt ein wenig an internationaler Solidarität angesichts der Flüchtlingskrise.“ Bestimmte Fleischprodukte könnten helfen – aber leider ist zumindest laut dem Titel von Mittermeiers aktuellem Programm ausgerechnet die Extrawurst aus. Jetzt wird es also ernst. Und das kann zumindest auf der Bühne heiter werden.

Trotz einiger klarer Positionen versteht sich Alfred Mittermeier nicht als politischer Kabarettist. „Ich lege einen großen Wert auf eine gute Mischung“, betont er. „Ich sehe mich selbst als Satiriker, der die Verantwortlichen von Missständen und Miseren der Lächerlichkeit Preis gibt.“ Ohne dabei allerdings in das sonst so beliebte Politiker-Bashing zu verfallen. „Das ist mir oft einfach zu platt“, gesteht er. Vielleicht auch, weil Mittermeier schon einmal auf der anderen Seite gestanden hat: Für eine Periode saß er in seiner Heimatstadt Dorfen im Stadtrat, war dort auch Kulturreferent. „Da bin ich schon an meine Realitätsgrenzen gestoßen“, sagt er lachend. „Ich habe festgestellt, dass die Forderungen, die man in der Opposition schnell mal in den Raum gestellt hat, oft gar nicht so einfach umzusetzen sind. Oft stehen juristische Zwänge im Weg, mitunter auch Seilschaften.“ Schön ist das nicht – aber deswegen einen Politiker einfach fertigzumachen, ist Mittermeier zu billig. „Es gibt schließlich auch gute Entscheidungen, die umgesetzt werden“, sagt er. „Ich finde zum Beispiel Angela Merkels Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen sehr lobenswert, auch wenn es ihr politisch schadet.“

Auf der Bühne wirkt Alfred Mittermeier weitaus ruhiger als sein Bruder Michael, richtet sein Augenmerk mehr auf den Text als auf Mimik und Gestik. Dabei war er es, der in den Jugendjahren den Drang auf die Bühne stärker spürte: „Ich war eher der Extrovertierte, Michael mehr der Introvertierte“, erinnert er sich an die gemeinsam gespielten Sketche von Karl Valentin. Angst vor den Brettern, die angeblich die Welt bedeuten, hatte keiner der beiden, wie auch bei einem Vater, der als Auktionator gerne vor Menschen sprach, und einer Sopranistin als Mutter. Die strenge Erziehung durch den Vater ging mit einer Förderung der schauspielerischen Talente einher. Doch bei Alfred Mittermeier verebbte irgendwann die Leidenschaft: „Als ich mit meinem Studium begann, hatte ich erst einmal keine große Lust mehr auf Theater oder Kabarett. Michael hat dagegen immer weitergemacht. Irgendwann habe ich wieder Blut geleckt, habe aber zunächst in einer Künstleragentur, also hinter den Kulissen gearbeitet. Es hat dann noch ein paar Jahre gedauert, bis ich 2004 mit meinem ersten Solo-Programm auf Tour gegangen bin.“ Dazwischen lag der Ausflug in die Politik – und das Stück „Der Watzmann ruft“, bei dem Mittermeier sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur in Erscheinung trat. „So etwas würde ich nie wieder machen“, sagt er heute. „Diese doppelte Verantwortung ist unglaublich anstrengend. Wenn du auf der Bühne stehst, kann dir niemand Anweisungen geben, und wenn du Regie führst, bist du für alles zuständig. Es war eine schöne Produktion und eine tolle Erfahrung, aber wiederholen muss ich die nicht.“

Muss er auch nicht – mit seiner Karriere als Kabarettist ist Alfred Mittermeier sehr zufrieden. Ihn zieht es ohnehin nicht auf die großen Bühnen, die sein Bruder zu füllen versteht, oder gar ins Ausland. „Ich bin heimatverbundener“, gesteht er. Bodenständiger auch, was schon die Bildsprache des 51-Jährigen zeigt. Würste allerorten. Zumindest noch. „Das Programm spiele ich noch bis Juni 2016, danach kommt etwas Neues“, sagt er. Irgendetwas mit Angst. „Im Moment ist die meiner Meinung nach eine der größten Gefahren für unsere Welt“, erklärt Mittermeier. „Vor allem da es Menschen gibt, die die Angst schüren, sie verbreiten und sie ausnutzen. Dagegen muss man sich wehren.“ Und vielleicht doch ein paar Sonderwürste essen. Fürs Herz und fürs Hirn.

Dienstag, 09.02.2016

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