Robert Höller - kultur 122 - Januar 2016

Robert Höller, Theater Bonn
Foto: Thilo Beu
Robert Höller, Theater Bonn
Foto: Thilo Beu

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Robert Höller: John Savage, Ferdinand und Albert

Der junge Schauspieler hat seine zehn Monate alte Tochter mitgebracht zum Treffen in seinem Lieblings-Café an der Kaiserstraße. Lotte ist müde, möchte aber trotzdem alles untersuchen und krabbelt sogar mal geschwind unter die Theke. Ihre Mutter Julia Keiling hat an diesem Samstag-Nachmittag eine Benefiz-Lesung für Amnesty International im freien Bonner Nordstadt-Kulturzentrum „Kult 41“ und wird nach der Elternzeit die Recha spielen in Lessings Nathan, in den Kammerspielen inszeniert von Volker Lösch. Robert Höller nennt ihn „einen der Hauptgründe, warum ich Schauspieler geworden bin“. An der Berliner Schaubühne sah er Löschs Inszenierung von Döblins Berlin Alexanderplatz und war begeistert. Deshalb war Höller auch sehr glücklich, als er nun in Bonn mit ihm zusammenarbeiten konnte bei der erfolgreichen Produktion Waffenschweine. „Ganz abgesehen von der künstlerischen Erfahrung habe ich dabei aber auch eine Menge gelernt über die Welt der Burschenschaften, die mir bis dahin völlig fremd war.“
Am Vormittag hat er geprobt für Werther, der am 17.12. Premiere in den Kammerspielen hat. In der Inszenierung von Mirja Biel, die bereits 2009 am Deutschen Theater Göttingen herauskam, spielt Höller den Albert. „Ein Gegentyp zu dem Stürmer und Dränger Werther. In Alberts konservative Gedankenwelt musste ich mich erstmal hineinarbeiten. In Goethes Briefroman kommt er ja eigentlich nur als erzählte Person vor. Unsere Albert-Figur ist stark an den Journalisten und Popkultur-Theoretiker Ulf Poschardt angelehnt, was natürlich auch an dem Konzept der Aufführung liegt, die Werthers Leiden mit dem kurzen Leben des Musikers Kurt Cobain verbindet. Übrigens: Dass unsere Tochter Lotte heißt, hat mit dem Stück nichts zu tun, sondern stand schon lange vorher fest.“
Höller und Keiling, beide in Berlin geboren und aufgewachsen, haben sich beim Schauspielstudium an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ im Grundlagen-Seminar kennengelernt und waren später beide am mit der Leipziger Ausbildung verbundenen Schauspielstudio des Staatsschauspiels Dresden engagiert. „Als wir für Bonn vorsprachen, wusste die Theaterleitung aber nicht, dass wir schon seit Jahren ein Paar sind.“
Robert Höller kam 1988 zur Welt und fing nach den üblichen Schultheater-Erfahrungen 2005 beim privaten Jugendtheater „Strahl“ an. Tim Tonndorf (*1985) absolvierte dort ein Freiwilliges kulturelles Jahr und suchte junge Spieler. Höller war begeistert, und gleich nach den ersten Aufführungen passierte etwas völlig Unerwartetes. Sein Talent fiel einer Agentin auf, und kurz danach hatte er eine Hauptrolle in dem ARD-Fernsehfilm Wut, der im September 2006 nur im Spätprogramm gesendet werden durfte. Das brisante Filmdrama des deutsch-kurdischen Regisseurs Züli Aladag befasste sich mit Jugendgewalt im Migrantenmilieu. Höller spielte den Gymnasiasten Felix (seine Mutter wurde von Corinna Harfouch verkörpert), dessen bildungsbürgerliche Familie von dem aggressiven jungen Deutschtürken Can bedroht wird. Das umstrittene Werk erhielt 2007 den „Adolf-Grimme-Preis“ und die „Goldene Kamera“ sowie zwei weitere Auszeichnungen in den USA. Volker Lösch hat übrigens 2009 in Stuttgart eine Theaterfassung auf die Bühne gebracht.
„Natürlich war es toll, gleich bei einer solch aufregenden TV-Produktion mitzuwirken. Ich bin da so reingerutscht und wusste damals noch nicht mal, dass nicht chronologisch gedreht wird. Es war indes eine Art Sprungbrett.“ Vor der Kamera stand er in den folgenden Jahren häufig in diversen „Tat­orten“, „SOKOs“ und anderen Fernsehfilmen, konnte schon als Schüler ganz gut davon leben, blieb aber dennoch dem Theater treu. Bis 2008 spielte er in Arbeiten von Tonndorf, der an der Hochschule „Ernst Busch“ Regie studierte und 2010 das Kollektiv „Prinzip Gonzo“ gründete, das 2015 auch beim von Schauspiel und Beethovenfest Bonn veranstalteten Projekt „Save the Word“ auf dem Gelände der Halle Beuel zu erleben war. „Tonndorf hat unsere junge Truppe unglaublich motiviert, über die Hälfte ist jetzt professionell an verschiedenen Bühnen tätig.“
Höller entschied sich nach dem Abitur und kurzer Bedenkzeit („Meine Eltern hatten beruflich mit Kunst nicht zu tun, unterstützen mich aber stets“) für das Theater und studierte von 2009 bis 2013 Schauspiel in Leipzig. Mit der Produktion des Schauspielstudios Dresden Nichts, was im Leben wichtig ist nach dem Jugendroman von Janne Teller gewann seine Klasse 2012 in Wien den am höchsten dotierten „Max-Reinhardt-Preis“ beim Treffen deutschsprachiger Schauspielstudierender. Zwei Preise bekam auch die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover für eine Produktion, bei der die späteren Bonner Ensemble-Mitglieder Maja Haddad (seit Kurzem Mutter einer Tochter und deshalb bis zum Ende der Saison in Elternzeit) und Jonas Minthe (nach zwei Jahren im Bonner Ensemble wieder freier Schauspieler) mitwirkten. Zu seinen besten Erfahrungen in Dresden zählt er Sartres Die Fliegen“ in der Regie von Andreas Kriegenburg. „Er probte gleichzeitig Händels ‚Orlando‘ an der Semperoper, entwickelte mit uns Schauspielern in einer sehr entspannten Arbeitsatmosphäre aber eine gemeinsame Energie, aus der schnell ohne großen Aufwand fertige Szenen entstanden.“
Dass sein erstes gesprochenes Wort als fertig ausgebildeter Schauspieler am Theater Bonn im Wittenbrink-Abend Eltern in den Kammerspielen Bad Godesberg ausgerechnet „Anus-Atmung“ war, findet Höller immer noch sehr witzig. In seiner ersten Spielzeit am Schauspiel Bonn war er außerdem in Metropolis, Welt am Draht, Helmut Kohl läuft durch Bonn und Waffenschweine zu sehen, in der Saison 2014/15 neben den Wiederaufnahmen in Shakespeares Königsdramen, als Espresso-Buden-Chef zwischen Marx und Murx in Der Volkshai und als Koch Kim in Das Fest. Letzteres inszeniert von Martin Nimz, in dessen Regie er nun den Ferdinand in Schillers Kabale und Liebe spielt. „Mir gefällt dabei, dass wir alles Gesagte konsequent ernst nehmen und das Stück sprachlich nicht ,modernisiert‘ haben. Klar: Ferdinand ist ein ­rück­­­sichtsloser Gefühlsartist zwischen divergierenden Konventionen und insofern durchaus ein heutiger Typ. Die Arbeit mit Nimz ist zudem ein geistiges und schauspielerisches ‚Muskeltraining‘, das einen wach hält.“
Seit Lotte da ist, werden die Tage ohnehin kürzer. „Einen Fernsehapparat haben wir nicht, aber per Streaming kann man ja ‚Tat­ort‘ irgendwann schauen und weiß dann wieder, dass der Sonntag flugs in einen Montag übergeht.“
Am Abend nach unserem Gespräch steht Schöne neue Welt in der Halle Beuel auf seinem Programm. Höller spielt den Fremdling John Savage, der in der sterilen Spaßzivilisation nicht überleben kann. Eine seiner zukünftigen Wunschrollen wäre Büchners Woyzeck, den er in Bonn aber nicht mehr spielen wird, weil er ab der kommenden Spielzeit am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin engagiert ist, wo Nimz die Schauspieldirektion übernimmt.

Dienstag, 09.02.2016

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