Glazunov, Aleksandr Konstantinovic (1865 - 1936)

Aleksandr Konstantinovic Glazunov
Foto: Philipp Hennecke
Aleksandr Konstantinovic Glazunov
Foto: Philipp Hennecke

kultur 119 - Oktober 2015

„Es ist mir unmöglich, mich mit anderem zu beschäftigen; ich bin von der Musik besessen. Wenn ich nicht komponieren könnte, hätte ich den Eindruck, meine Zeit zu verlieren.“ Der in St. Petersburg geborene Sohn einer wohlhabenden Verlegerfamilie wurde früh musikalisch gefördert. Seine Mutter war eine hochbegabte Pianistin, sein Vater spielte Violine. Aleksandr erhielt mit sechs Jahren Klavierunterricht bei N.G. Cholodova, später auch Cello- und Bratschenunterricht zwecks Gründung eines Familienensembles. 1877 wurde N.N. Elenkovskij sein Klavierlehrer, der ihm bald auch theoretischen Musikunterricht erteilte. M. Balakirev empfahl, nachdem er von Glazunovs Mutter auf die außergewöhnliche Begabung ihres Sohnes aufmerksam gemacht worden war, ein Studium bei N. Rimskij-Korsakov. Glazunov besaß vor allem ein außerordentliches Gehör und ein ausgeprägtes musikalisches Gedächtnis. Zu Beginn des Jahres 1880 erhielt er wöchentlichen Privatunterricht bei seinem neuen Lehrer, der bemerkte, dass sich Glazunovs Können nicht tage-, sondern stundenweise weiter entwickelte. Das Verhältnis zwischen Glazunov und Rimskij-Korsakov wechselte bald zu einer tiefen Freundschaft, die bis zu dessen Tode währte.
1882 wurden Glazunovs erste Symphonie und sein erstes Streichquartett uraufgeführt. Seitdem förderte der Mäzen und Verleger M. Beljaev den jungen Komponisten. Er ermöglichte Publikationen und Aufführungen neuer Werke und reiste zwei Jahre später gemeinsam mit dem Komponisten nach Weimar zu F. Liszt, sowie nach Frankreich, Spanien und Marokko. Während der wöchentlichen musikalischen Zusammenkünfte im Haus von Beljaev entstand zusammen mit anderen Komponisten auch eine Reihe von Gemeinschaftswerken.
1899 wurde Glazunov zum Professor für Instrumentation am St. Petersburger Konservatorium ernannt. Als Lehrer war er hoch geschätzt. Darüber hinaus setzte er sich auch persönlich für Studenten in Notlagen ein. Um die Jahrhundertwende wurde der Komponist zunehmend international bekannt; 1907 erhielt er den Ehrendoktortitel im Fach Musik der Universitäten Oxford und Cambridge.
Bereits seit 1905 war Glazunov Direktor des St. Petersburger Konservatoriums. Während dieser Zeit lud er viele ausländische Musiker und Komponisten nach Petrograd bzw. Leningrad ein, unter ihnen Hans von Bülow, Camille Saint-Saëns, Ferruccio Busoni oder Otto Klemperer. Nach der Oktoberrevolution 1917 blieb Glazunov, im Gegensatz zu anderen Musikern wie S. Rachmaninov oder S. Prokofiev, im Lande und setzte seine Arbeit, soweit es die Umstände erlaubten, noch über zehn Jahre fort. Erst 1928 kehrte er von einer Reise nach Wien nicht mehr in seine Heimat zurück und ließ sich in Paris nieder.
In seinen letzten Lebensjahren hatte der Komponist mit seinem schlechten Gesundheitszustand zu kämpfen. Beerdigt wurde Glazunov in Frankreich, 1972 wurden seine sterblichen Überreste auf den Aleksandr-Nevskij-Friedhof in Leningrad überführt.
In Glazunovs Werken finden sich verschiedene Elemente wieder: Russische Folklore, groß angelegte Formensprache, harmonische Fortschreitungen die nicht an die Kadenz gebunden sind, unregelmäßige Rhythmen und besondere Klangfarben. Weiterhin hatte der Komponist eine Vorliebe für Durtonarten, heroische Gesten und Apotheosen (wirkungsvolle Schlüsse). Handwerkliche Meisterschaft paart sich bei Glazunov mit vollendeter Instrumentationskunst; dabei erweckt die Musik den Eindruck ungeheurer Leichtigkeit.
Der Komponist hatte den Willen, sich alle Techniken und Stilbereiche seiner musikalischen Vorbilder anzueignen, denen er auch einzelne Werke widmete. Seine erste Symphonie ist beispielsweise Nikolai Rimskij-Korsakov gewidmet, die dritte Symphonie Pjotr Iljitsch Tschaikowsky und die Orchesterfantasie More ist Richard Wagner zugeeignet. Der Schwerpunkt von Glazunovs Schaffen liegt auf den acht Sinfonien, den programmsymphonischen Werken, den Balletten und Instrumentalkonzerten sowie der Kammermusik. Das Konzert für Violine gehört zum internationalen Repertoire, besonders hervorzuheben sind auch die Streichquartette (s.u.). 1921 gründete sich das Glazunov-Streichquartett, für das der Komponist beispielsweise sein sechstes Werk dieser Gattung schrieb. Glazunov war auch als Herausgeber tätig. Gemeinsam mit Rimskij-Korsakov sorgte er dafür, dass A. Borodins Ideen für die Oper Knajz‘ Igor (Fürst Igor) ihre letzt­endliche Form bekamen. Er bearbeitete auch Borodins 3. Symphonie und edierte zusammen mit Rimskij-Korsakov viele Werke von M. Glinka. Glazunov orchestrierte eigene und fremde Werke, unter ihnen Stücke von H. Berlioz, C. Kjui und die Klage der Dido aus H. Purcells Dido and Aeneas. E.H.


Hörtipps:
- Symphonie Nr. 2, Konzertwalzer Nr. 1, Bamberger Symphoniker, Neeme Järvi, Orfeo.
- Violinkonzert op. 82, Vadim Gluzman, Bergen Philharmonic Orchestra, Andrew Litton, BIS.
- String Quartet no. 6, op. 106, Novelettes op. 15, Utrecht String Quartet, MDG.

Donnerstag, 26.11.2015

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