Prix Pantheon 2015 für Sebastian Nitsch, Suchtpotenzial, Jürgen von der Lippe

Prix Pantheon 2015 - Die Gewinner
Foto: Pantheon Bonn
Prix Pantheon 2015 - Die Gewinner
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kultur 117 - Juni 2015, von Juliane Schmidt-Sodingen

Es gibt viel zu verliern,
du kannst nur gewinnen

Genug ist zu wenig,
oder es wird so wie es war

Stillstand ist der Tod,
geh' voran, bleibt alles anders

Der erste Stein fehlt in der Mauer,
der Durchbruch ist nah


BLEIBT ALLES ANDERS,
Herbert Grönemeyer, 1998

Du kannst nur gewinnen ist eine beständige Botschaft des Prix Pantheon, der seit 1994 alljährlich im Pantheon ausgetragenen Spaß- und Satire-Open für Nachwuchskünstler. Wer es schafft, zu den zehn von der Jury nominierten Künstlern zu gehören, die am Wettkampf vor Publikum teilnehmen dürfen, hat schon einen kleinen Meilenstein geschafft. Nun winken der Publikumspreis „Beklatscht und Ausgebuht“ und der Jurypreis „Frühreif und Verdorben”.
Bleibt alles anders ist in den letzten Jahren allerdings auch ein Kontinuum des Prix Pantheon. Nach den ersten ca. 15 Jahren ritualhafter Wettkampfspielregeln gab es in den letzten Jahren stetig Änderungen, in diesem Jahr sogar mehrere. Die erste sorgte für ein biss­chen Wehmut: Fritz Litzmann und Herbert Schwaderlappen (Rainer Pause und Norbert Alich) fehlten in der Funktion der (Co-)
Moderatoren und Gastgeber – ein vom Mitveranstalter WDR, der den entscheidenden Wettkampftag live übertrug, beförderter Generationswechsel? Eine weitere Änderung war die Abschaffung des von Internetnutzern zu vergebenden Preises. Von entscheidenderer Bedeutung war jedoch folgende Änderung: Anstatt eines 20-minütigen Auftrittes jedes Kandidaten an einem der beiden Wettkampftage, kamen nun alle Kandidaten bereits am ersten Tag mit zwölfminütigen Auftritten dran, gefolgt von einer ersten Selektion. Ein Favorit des Publikums und vier Favoriten der in diesem Jahr von Bodo Wartke geleiteten Jury gelangten in die finale Wettkampfrunde, die am zweiten Tag mit ca. achtminütigen Auftritten stattfand.
Nur in der ersten Runde zu erleben waren der rasant sprechende Stand-Up-Comedian Sascha Korf, die Poetry-Slammerin Sarah Bosetti, der „Rebell-Comedian“ mit marokkanischen Wurzeln Benaissa, der belgische Nachwuchs-Comedian Oliver Sanrey und: René Sydow. Letzterer hätte für seine pointenreiche Moralpredigt an die technikgläubige und dabei die Umwelt (Mitmenschen, Natur, Vergangenheit und Zukunft und vielleicht auch sich selbst) vergessende Gesellschaft eigentlich einen Sondertrostpreis der kultur-Redaktion verdient.
In die zweite Runde gelangten der sympathische selbsternannte „King of Understatement” an der Gitarre Friedemann Weise, der für das Selber-Denken kämpfende junge Polit-Kabarettist Till Reiners, der eigentlich in der Kabarettszene schon etablierte Kai Spitzl und die letztlich als Gewinner gekürten:
Das Musik-Duo Suchtpotenzial gewann den Publikumspreis. Die Pianistin Ariane Müller (*1980 in Ulm) und die Sängerin Julia Gámez (*1986 in Berlin) nennen ihren Musikstil Alkopop – Musik von und für Betrunkene. Sorge um ihre Gesundheit ist jedoch vermutlich nicht nötig. Die zwei klassisch ausgebildeten Musikerinnen überzeugten mit temperamentvollen, selbstironischen und ihre enorme musikalische Bandbreite andeutenden Nummern von Pop und Musical über Jazz und Chanson bis zu Oper. Nach erfolgreichen Solokarrieren im klassischen Fach treten sie seit drei Jahren gemeinsam in der Kleinkunstszene auf.
Sebastian Nitsch wurde mit dem Jury-Preis ausgezeichnet. Er rechnete mit den Marketingstrategien der Kosmetikindustrie und ihren unkritischen Nutzern ab – und denjenigen, die den sozialen Medien so sehr in die Fänge geraten, dass sie die eigene, eigentlich aktiv zu gestaltende Gegenwart vergessen. Nitsch (*1977) wuchs in West-Berlin auf, war zunächst als Werbetexter tätig, stand im Jahr 2010 zum ersten Mal auf einer Bühne und feierte mit seinem ersten Soloprogramm im April 2012 Premiere.
Der zweite Wettkampftag war eingebettet in eine Show, zu der auch Prix-Pantheon-Gewinner der Vorjahre wie Tobias Mann, Rainald Grebe, Torsten Sträter und Wilfried Schmickler beitrugen – und nicht zuletzt der Altmeister der Unterhaltung Jürgen von der Lippe (* 1948 in Bad Salzuflen), der mit dem Ehrenpreis „Reif und Bekloppt” für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Hausherr Rainer Pause hielt die Laudatio für „das Multitalent, das das Spiel mit der Sprache liebt” und den „Lustmenschen, der seine Gürtellinie geschickt unter seinem optischen Markenzeichen, den Hawaiihemden, verbirgt“.
Moderiert wurden die beiden Wettkampftage durch den erfolgreichen Solokabarettisten Florian Schroeder, der mit originellen Überleitungen zwischen den Auftritten der Künstler gekonnt, charmant und witzig durch die Show führte. J.S.

Suchpotenzial sind am 27.08.2015 mit ihrem Programm Alko-Pop. 100 % im Pantheon zu Gast, Sebastian Nitsch am 5.12.2015 mit seinem Programm Frohes Fest und fix und fertig.

Dienstag, 22.09.2015

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