Rinaldo - Oper Bonn - kultur 112 - Januar 2015

Rinaldo
Foto: Theater Bonn
Rinaldo
Foto: Theater Bonn

Witzige west-östliche Transit-Gesellschaft



Mit schwarzen Aktenkoffern lauern sie dem Helden auf. Eine geschäftige Armee von Business-Typen statt der mittelalterlichen Kreuzritter hängt sich an den zerstreuten Rinaldo, der offenbar anderes im Kopf hat als die Unterzeichnung irgendwelcher Schriftstü­cke. Almirena, der Tochter seines Chefs Goffredo, gilt seine Sehnsucht. Die Befreiung des von Muslimen besetzten Jerusalem ist ihm eher gleichgültig. Wobei der Religionskonflikt in Händels 1711 in London mit durchschlagendem Erfolg uraufgeführter Opera seria Rinaldo ohnehin keine große Rolle spielt.
Basierend auf einem Konzept des Regisseurs Claus Guth, der vor der Zürcher Premiere 2008 erkrankte, hat Jens-Daniel Herzog das frühe Meisterwerk des Komponisten einfallsreich und höchst vergnüglich inszeniert. Die Produktion der Oper Zürich ist nun – frisch aufpoliert und neu besetzt – in Bonn zu erleben. Die turbulente Geschichte mit ihrem verrückten Zauberwerk spielt sich hier in der heutigen Transit-Welt internationaler Flughäfen ab. Auf der munter rotierenden Drehbühne von Ausstatter Chris­tian Schmidt sind alle ständig unterwegs zwischen Rolltreppen, Lounges und Konferenzräumen. Zugegeben: Im Lager der Westeuropäer sieht’s etwas aufgeräumter aus als bei ihren Gegnern.
Die Choreographie von Ramses Sigl bringt jedoch alles zum Tanzen, von den Aktenkoffern bis zu den Lampen. Bei Rinaldos Arie „Venti, turbini“ entfacht nicht nur das Orchester einen Wirbelsturm. Während einige hinter Treppen und Möbeln Schutz suchen, hängen manche vom Orkan verweht sogar waagerecht an den Wänden. Zuständig für die fabelhafte Bewegung ist ein eigens engagiertes zehnköpfiges Tanz-Ensemble, angeführt von Dance Captain Olaf Reinecke. Die traditionellen Ballett-Einlagen der Barockoper – hier sind sie Teil des raffinierten Spiels, das mit einem Flug in den fernen Osten noch lange nicht endet.
Da sitzen sie mit Rucksäcken und Wanderstiefeln müde im Warteraum: Susanne Blattert (auf Hosenrollen quasi schon abonniert) als energischer Rinaldo und mit ihrem eleganten Mezzosopran ist eine Idealbesetzung für die Titelrolle. Die exzellente Mezzosopranistin Kathrin Leidig als Generalkapitän Goffredo und dessen Bruder Eustazio, verkörpert von dem fabelhaften Countertenor Jakob Huppmann, setzen stimmliche Glanzlichter. Dazu gesellt sich noch Charlotte Quadt als Magier im Kostüm eines Putz- und Gepäckwagen-Underdogs. Dass Rinaldo den hübschen Stewardessen (Nina Unden, Vardeni Davidian, Brigitte Jung) flugs folgt, ist angesichts von deren verführerischer Erscheinung und heller Stimm-Verlockung kein Wunder.
Denn Almirena wurde entführt von Armida, der Königin von Damas­kus. Hinreißend spielt und singt die junge Sopranistin Sumi Hwang das unglückliche Mädchen, das sich plötzlich als Gefangene im Reich der bösen Zauberin wiederfindet. Ergreifend ist ihr „Lascia ch’io pianga“, das bekannteste Arien-Highlight der Oper. Kein Wunder, dass Argante, König von Jerusalem und Geliebter der Armida, ihren Reizen erliegt. Mit köstlicher Komik agiert der großartige Bariton Giorgos Kanaris als nicht sonderlich heldenhafter Herrscher. Was die eifersüchtige Amazone Armida fast zur Weißglut bringt. Wie die Sopranistin Marlin Hartelius (bei der Premiere eingesprungen für die erkrankte Netta Or), die die Rolle bereits in Zürich verkörperte, als streitsüchtiges Temperamentbündel die Szenerie aufmischt, ist ein Ereignis. Schon ihr erster Auftritt als erfolgreiche Spionin im feindlichen Lager ist buchstäblich umwerfend. Wie sie im feuerroten Fummel ihrem Argante den Kopf verdreht und ihm mit ihren High Heels auch mal kräftig auf die Füße tritt, ist ein großer Spaß. Unbedingt sehenswert auch ihr Auftritt als falsche Almirena, auf den Rinaldo freilich nicht hereinfällt. Der kann mit seiner Braut zurück ins christliche Lager fliehen.
Armida und Argante, inzwischen wieder versöhnt, müssen zähne­knirschend kapitulieren.
Energisch führt der musikalische Leiter und ausgewiesene Barock­spezialist Wolfgang Katschner (einige Vorstellungen dirigiert Thomas Wise) das klein besetzte Beethovenorchester und die exzellente Continuo-Gruppe im hochgefahrenen Orchestergraben durch alle stürmischen Verwirrungen. Klanglich und spielerisch ist diese, bei der Premiere mit langem Beifall gefeierte, mit vielen überraschenden Effekten brillierende Aufführung ein Hochgenuss. Auf internationalem Niveau und sicher eine Reise nach Bonn wert. E.E.-K.

Spieldauer ca. 3 Stunden inkl. Pause
die Letzten Termine:
21.12. // 27.12.2014 // 4.01. // 18.01. / / 30.01.2015

Donnerstag, 15.01.2015

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Letzte Aktualisierung: 24.04.2024 19:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn