Niels Wilhelm Gade (1817 - 1890)

kultur 109 - Oktober 2014

Der in Kopenhagen geborene Komponist war das einzige Kind des Schreiners und Instrumentenbauers Søren Nielsen Gade. Mit vierzehn Jahren ging er bei seinem Vater in die Lehre, wurde aber bereits ein halbes Jahr später Privatschüler bei Frederik Wexschall, dem Konzert­meis­ter der Königlichen Kapelle. 1834 trat Niels als unbezahlter Violinschüler in die Königliche Kapelle ein und behielt diese Stellung bis 1843. Eine Konzertreise nach Norwegen und Schweden im Jahre 1838 war nicht sehr erfolgreich. Gades Hauptinteressen verlagerten sich mehr und mehr. Er studierte Komposition und Musiktheorie bei Andreas Peter Berggreen. Von diesem Komponisten und Organisten wurde er entscheidend beeinflusst, vor allem in der Übernahme des Volksliedes (s.u.) in die Kunstmusik. Gades erste gedruckte Komposition war das Lied Lebet wohl auf einen Text von J.W. von Goethe. Sein eigentlicher Durchbruch als Komponist erfolgte 1840 mit der Ouvertüre Efterklange af Ossian (Nachklänge von Ossian) op. 1, mit der Gade den ersten Preis bei einem Wettbewerb des Kopenhagener Musikvereins gewann.
1843 wurde seine 1. Symphonie op. 5 von Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig uraufgeführt. Durch ein Reisestipendium gelangte Gade im Winter 1843/44 selbst nach Leipzig, wo er in den Kreis um Mendelssohn sowie Robert und Clara Schumann aufgenommen wurde. Im Januar 1844 leitete er dort die Uraufführung seiner 2. Symphonie op. 10 – es zeigte sich, dass Gade auch ein ausgesprochenes Talent als Orchesterdirigent besaß. Im August desselben Jahres setzte der Komponist seine Reise nach Österreich, Italien, die Schweiz und Straßburg fort. In den folgenden vier Jahren wirkte Gade in Leipzig neben Mendelssohn als Dirigent der Gewandhauskonzerte und als Lehrer am neugegründeten Konservatorium. Neben der Freundschaft zu den bereits genannten Komponisten sowie J. Joachim, F. Hiller und J. Verhulst, etablierte sich in der Leipziger Zeit auch der Kontakt zu seinen beiden späteren Hauptverlegern F. Kistner und Breitkopf & Härtel.
Zum Ende der Saison 1847/48 kehrte Gade endgültig nach Kopenhagen zurück. Dort wirkte er an der Neuorganisation des Musikvereins mit und von 1850 bis zu seinem Tode leitete er deren Konzerte. 1851 wurde er zum Organisten der Garnisonskirche ernannt; von 1855 bis zu seinem Tode war er Organist der Holmens Kirke. Trotz dieser Anstellungen hat Gade nur wenige geistliche Werke hinterlassen.
Zugunsten seiner Tätigkeiten in der Heimatstadt lehnte der Komponist zahlreiche attraktive Angebote aus anderen Städten, wie z.B. die des Musikdirektors der Leipziger Gewandhauskonzerte, ab. 1867 wirkte Gade als Mitbegründer des Kopenhagener Musikkonservatoriums, an dem er für den Rest seines Lebens Direktor und Dozent für Komposition, Instrumentation und Musikgeschichte war. Gelegentlich nahm er an ausländischen Musikfesten teil, beispielsweise in Köln (1862 und 1880), Bonn (1871) und Birmingham (1867 und 1882), wo er als gefeierter Komponist eigene Werke dirigierte. An seinem Todestag spielte Gade noch an der Orgel zur Messe, bevor er am selben Abend einem Herzanfall erlag.
Gade schuf ein umfassendes und vielfältiges musikalisches Œuvre. Er besaß eine handwerkliche Meisterschaft vor allem in der Instrumentation und der klassischen Formgebung. Seine frühen Werke bis zur 2. Symphonie op. 10 sind von nationalen Volksliedern inspiriert und zeichnen sich durch einen „nordischen“ Ton aus. Seit den Leipziger Jahren wandte sich Gade jedoch zunehmend von einem nationalen Stil ab.
Seine 5. Symphonie op. 25 mit obligatem Klavier ist ein Beitrag zur Erweiterung des Orchesterklangs. Auch in seiner Frühlingphantasie op. 52 und in dem Konzertstück Der Strom op. 64 setzt Gade das Klavier in dieser Funktion ein.
Aus seinem umfangreichen kammermusikalischen Schaffen ragen besonders die Violinsonate op. 21 und das Klaviertrio op. 42 heraus. Gade vollendete eine einzige Oper Mariotta, die aber erfolglos blieb.
Seine selbst so genannten Koncertstykker (Konzertstücke) wurden eine Spezialität des Komponis­ten. Diese waren eine Art weltlicher Oratorien oder Kantaten für Soli, Chor und Orchester, unter ihnen Elverskud op. 30, Kalanus op. 48 und Zion op. 49. Hugo Riemann schrieb darüber 1901, dass sie „zum täglichen Brot der Chorgesangvereine und Musikvereine wurden und sich zufolge ihrer natürlichen Frische und künstlerischen Noblesse dauernd halten“.
Zu Gades Lebzeiten erschien nur etwa die Hälfte seines Gesamtwerks in Druck. Den größten Teil des 20. Jahrhunderts waren nur einige wenige seiner Werke bekannt. Erst seit ca. 15 Jahren erlebt der Komponist eine Renaissance: Alle Hauptwerke liegen in neuen Einspielungen vor und die Zahl der Aufführungen im In- und Ausland nimmt stetig zu. E.H.


Hörtipps:
- Efterklange af Ossian, Symphonien Nr. 3 und 6, Danish National Symphony Orchestra, Christopher Hogwood, Chandos.
- Violinsonaten Nr. 1-3, Hasse Borup, Heather Conner, Naxos.
- Elverskud, The Canzone Choir, Collegium Musicum, L. Balslev, E. Guillaume, ­
M. Melbye, Frans Rasmussen, Kontrapunkt.

Donnerstag, 13.11.2014

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.



Letzte Aktualisierung: 28.03.2024 17:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn