Eugène-Auguste Ysaÿe (*1858 - 1931)

kultur 105 - April 2014

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Der belgische Komponist, Geigenvirtuose und Dirigent Eugène-Auguste Ysaÿe wurde in Lüttich geboren. Seinen ersten Violinunterricht erhielt er mit fünf Jahren von seinem Vater Nicolas-Joseph. Als dieser 1865 Dirigent des städtischen Théâtre royal wurde, setzte Ysaÿe seinen Unterricht bei Désiré Heynberg, der am Königlichen Konservatorium lehrte, fort. Ysaÿes Vater kritisierte jedoch die Methodik Heynbergs, wodurch Eugène-Auguste 1868, nachdem er bereits im Vorjahr den 2. Preis bei einem Wettbewerb gewonnen hatte, von dessen Unterricht ausgeschlossen wurde. Seitdem begleitete Eugène-Auguste seinen Vater auf Konzertreisen und spielte in dessen Orchester. 1872 konnte er seine Studien als Schüler von Rodolphe und Leon Massart wieder aufnehmen. Durch ein Stipendium setzte ­Ysaÿe seine Studien am Königlichen Konservatorium in Brüssel bei Henryk Wieniawski fort. 1876 – 79 studierte er auf dessen Einladung bei Henri Vieuxtemps in Paris. Durch den Unterricht bei Wieniawski und Vieuxtemps erlernte Ysaÿe die französich-belgische Violinschule (s.u.).

1878 reiste Ysaÿe nach Deutschland und führte in Köln mit Clara Schumann die c-Moll-Sonate von Beethoven auf. Bei diesem Besuch übte der Violinist Joseph Joachim einen großen Einfluss auf ihn aus. Im Jahr darauf wurde Ysaÿe Konzertmeister des Benjamin Bilse Orchesters in Berlin, aus dem später die Berliner Philharmoniker hervorgingen. 1882 unternahm er mit Anton Rubinstein eine Konzerttournee durch Skandinavien und Russland.
Von 1883 – 86 ließ sich Ysaÿe in Paris nieder. Dort wurde er 1885 als Virtuose über Nacht berühmt, als er in einem Konzert der „Concerts Colonne“ die Symphonie Espagnole von Eduard Lalo und das Rondo Capriccioso von Camille Saint-Saëns spielte. Seitdem stand Ysaÿe bei anderen führenden Komponisten wie Claude Debussy, Vincent d’Indy und César Franck in hohem Ansehen und diese widmeten ihm bedeutende Werke. Franck widmete Ysaÿe beispielsweise 1886 anlässlich seiner Hochzeit mit der Sängerin Louise Bourdeau seine Sonate für Violine und Klavier. 1889 gründete er zusammen mit Mathieu Crickboom, Léon Van Hout und Joseph Jacob das „Quatuor Ysaÿe“.
Von 1886 – 97 war Ysaÿe Professor für Violine am Brüsseler Conservatoire. 1894 trat er zum ersten Mal in den USA auf und absolvierte eine sehr erfolgreiche Amerika-Tournee. Im Jahr darauf gründete er die „Société symphonique des concerts Ysaÿe“ und trat auch als Dirigent auf. Nach 1896 bildete er zusammen mit dem Pianisten Raoul Pugno ein festes Duo und organisierte mit ihm in Paris den Konzertzyklus „La Sonate ancienne et moderne“.
In Amerika gab er sein Debut als Dirigent mit dem Cincinnati Symphony Orchestra im Jahre 1918. Der große Erfolg bescherte ihm eine feste Stelle als Leiter dieses Orchesters für die nächsten vier Jahre. Anschließend kehrte Ysaÿe wieder nach Belgien zurück. Aufgrund von Schwierigkeiten mit seinen Fingern war er in späteren Jahren nicht mehr als Solist, sondern überwiegend als Dirigent tätig. 1927 heiratete er - nach dem Tode seiner Frau - Jeanette Dincin, eine seiner amerikanischen Schülerinnen.

Ysaÿe komponierte zahlreiche Werke für Violine, unter ihnen acht Violinkonzerte und sechs Sonaten für Violine solo op. 27. Die Violinsonaten sind jede einem Geiger gewidmet und auf dessen persönliches Spiel zugeschnitten. Im Alter von 70 Jahren schrieb Ysaÿe eine Oper in wallonischer Sprache, Pier li Houïeu (Peter der Bergmann), die 1931 uraufgeführt wurde. Eine zweite Oper L’Avierge di Pier blieb unvollendet.
In der Geschichte des Violinspiels um 1900 nimmt Ysaÿe eine herausragende Stellung ein. Von seinen Zeitgenossen wurde er neben seiner Virtuosität vor allem für die Klangschönheit und den Farbenreichtum seines Spiels bewundert. Als Interpret prägte er nachhaltig Generationen von Violinisten, wie G. Enescu oder J. Szigeti. Ysaÿe brachte zahlreiche zeitgenössische Werke zur Uraufführung und regte durch sein Virtuosentum zur Komposition neuer Werke für die Violine an. E.H.


Hörtipps:

- Sonaten für Violine solo op.27 Nr.1-6, Oscar Shumsky, Nimbus.
- Werke für Violine & Orchester, Albrecht Laurent Breuninger, Welisar Gentscheff, Nordwestdeutsche Philharmonie, cpo.
- Pier li Houïeu, Guylaine Girard, Alain Gabriel, Patrick Delcour, Orchestre et Choeurs de l'Opera royal de Wallonie, Jean-Pierre Haeck, MEW.

Dienstag, 30.09.2014

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