Cendrillon - kultur 104 - März 2014

Cendrillon
in der Oper: Märchenglück

An ihrem Schuh wird der junge Prinz die schöne Unbekannte wiedererkennen, in die er sich auf seinem Ball verliebte. Viele andere Aspirantinnen auf sein Herz versuchen, Aschenbrödels verlorenen Schuh als für sich passend auszugeben. Bei ihren bösen Stiefschwestern geht das in der Grimm’schen Version des bekannten Märchens sogar blutig aus. Schuhe sind ein wichtiges Motiv in der Geschichte vom unterdrückten Mädchen, das durch die Kraft der Liebe quasi wie ein Phönix aus der Asche aufsteigt.
In Cendrillon, der neuen Choreographie von Thierry Malandain mit seinem Ballett Biarritz, hängt der Himmel voller schwarzer Stö­ckelschuhe. Sorgfältig an Fäden aufgehängt umschweben sie die Tanzfläche. Malandain nimmt sehr leichtfüßig die ironischen Töne in der Musik von Sergej Prokofjew auf, der das 1945 uraufgeführte Stück (meistens präsentiert unter dem Titel Cinderella) im Zweiten Weltkrieg ganz in der Tradition der großen russischen Handlungsballette schrieb. Es gibt die klassischen ‚Nummern‘ mit Ensembles, Pas de deux und Soli, es gibt Walzer und das bekannte Ballettvokabular, dem Malandain trotz aller Modernisierung den märchenhaften Zauber lässt. Seine 20-köpfige Compagnie beherrscht den Tanz auf der Spitze perfekt.
Cendrillon putzt zu Beginn zärtlich die Schuhe ihres geliebten Vaters. Der steht völlig unter dem Pantoffel seiner zweiten Frau, die mit ihren beiden Töchtern das Regiment im Haus übernommen hat. Herrlich grotesk wird dieses eitel-bösartige Trio von Männern verkörpert. Die beiden glatzköpfigen, kräftigen Schönheiten im skurrilen Ballettkostüm an der Seite ihrer mit Krücken bewaffneten Mutter sind ein komisches Glanzstück. Zumal die Alte mit ihren Gehhilfen geradezu hexenhaft in die Luft geht.
Ein irrer Spaß ist auch der verzweifelte Tanzlehrer, der die ‚Schwestern‘ fit machen soll für die königliche Brautschau.
Die unglückliche Cendrillon wird von ihrer Familie gar nicht beachtet, aber sie träumt sich eigene Gefährten herbei. Da sind die beiden eleganten männlichen Elfen, die als goldene Fee wiederauferstandene Mutter und eine Schar von Naturgeistern in hautfarbenen Trikots, die dafür sorgen, dass Cendrillon der Star des königlichen Balls wird. Der melancholische Prinz sieht nur noch diese wunderbar lebendige Erscheinung. Denn die Hofgesellschaft ist erstarrt in ihren Puppen-Ritualen. Grandios: Die völlig leeren schwarzglänzenden Kleider, die virtuos bewegt werden in einem gespenstischen Ballett.
Cendrillon schwebt indes mit ihrem Prinzen ins höchste Glück und teilt dieses mit den verzauberten Zuschauern. Eine Ballett-Sternstunde, die absolut frisch und geistesgegenwärtig neue Tanzformen mit fabelhaftem Können mischt und hinreißend eine alte Geschichte erzählt. Der Jubel des Bonner Publikums bei dem fast ausverkauften Gastspiel aus Frankreich war kaum zu stoppen. E.E.-K.

Dienstag, 05.08.2014

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