Ballette für Klavier und Stimme - kultur 103 - Februar 2014

Schwanensee, Nussknacker, Die drei kleinen Schweinchen, Ballette für Klavier und Stimm e
in der Oper

Tanzglück in der Oper
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Zu den mit Spannung erwarteten Höhepunkten der Bonner Tanzsaison gehörte ohne Zweifel das Hamburg Ballett mit seinem vierteiligen Programm Ballette für Klavier und Stimme. Es ist auch ein Rückblick auf die choreographische Arbeit von John Neumeier, der die Compagnie seit 1973 leitet und sie an die Weltspitze geführt hat. Ein Flügel steht mitten auf der Bühne. Er ist nicht Begleitinstrument, sondern entscheidender Teil der Inszenierung, die die Musik selbst zum Akteur macht. Bei der Uraufführung von Robert Schumanns Kinderszenen 1974 in Hamburg spielte Christoph Eschenbach den Klavierpart, in Bonn saß nun sein Schüler ­Christopher Park am Flügel und kommunizierte ungemein sorgsam mit den Tänzern. Die berühmten Kinderszenen sind ja kein Stück für Kinder, sondern eins über Kinder aus der Perspektive eines Erwachsenen. Eine zarte Melancholie schwebt über diesen Erinnerungsmomenten, die die Choreographie poetisch ineinanderfließen lässt mit hinreißend leichten Bewegungen, in die sich gelegentlich ein zärtlicher Humor mischt. Getanzt wird auf der Spitze mit Anspielungen an das klassische Figurenrepertoire.
Nach diesem hellen Traum in Weiß und Grau dominieren Orangetöne bei den Petruschka-Variationen (1976), die auch burleske Momente zulassen. Neumeier erzählt nicht das bekannte Stück, sondern hat Igor Strawinskys Trois Mouvements de Pétrouchka gewählt, die die Empfindungen der zum Leben erwachten Puppen konzentrieren. Liebe, Eifersucht und Zorn – die sechs Tänzerinnen und Tänzer machen daraus ein leichtfüßiges Spiel zwischen bitterem Ernst und komischer Verzweiflung.
Bei der Uraufführung 1911 in Paris tanzte Vaslav Nijinsky (1889 – 1950) den Petruschka. Diesem legendären Tänzer hat Neumeier sein 1979 uraufgeführtes Ballett Vaslav gewidmet. Nijinsky plante selbst eine Choreographie zu Werken von Johann Sebastian Bach, die jedoch nie zustande kam. Neumeier hat die von ihm ausgewählten Musikstücke teilweise übernommen und in einen Traum des Künstlers verwandelt. Nijinsky (fabelhaft ausdruckvoll: Alexandre Riabko) sieht die von ihm entworfenen Figuren, kann sie aber nicht mehr fassen. Grün leuchten die Kostüme in dieser Suite, die nachdenklich die alten Formen neu erfindet. Ein Wunderwerk an Präzision und Eleganz!
Erst 2013 uraufgeführt wurde Um Mitternacht zu Gustav Mahlers Rückert-Liedern. Der Ton ist dunkler, wie ein Todesengel sitzt eine Frau im transparenten Schleiergewand auf einem durchsichtigen Stuhl und vereint sich schließlich mit dem Mann, der sich nach „Lichtgedanken“ sehnt. In diesem Stück erreicht der Tanz eine Innerlichkeit, die alles Irdische hinter sich lässt. Viel dazu beigetragen hat der Bariton Daniel Ochoa (begleitet von dem Pianisten Cristian Peix), der die fünf Lieder zutiefst bewegend interpretierte. Das „Liebst du um Schönheit“ sogar ein zweites Mal, denn mit dem hoffnungslosen „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, lässt Neumeier sein Werk nicht enden.
Nach zwei Stunden purem Tanzglück wollte der Beifall in der an beiden Abenden ausverkauften Bonner Oper für das absolut grandiose Ensemble und die Musiker kaum enden. Er steigerte sich zu Standing Ovations, als der Meister selbst die Bühne betrat. John Neumeier ließ es sich nicht nehmen, seine Truppe zu dem Bonner Gastspiel persönlich zu begleiten.
Ein unvergessliches Ballett-Ereignis! E.E.-K.

Dienstag, 10.06.2014

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