Wie es so läuft - kultur Nr. 28 - Juni 2006

Dreiecksgeschichte in der amerikanischen Provinz - Wie es so läuft von Neil LaBute in der Werkstatt

Das Stück hat das Zeug zum Bühnenrenner wie schon die Mördertrilogie Bash (2001 von der deutschen Kritik zum besten ausländischen Stück gewählt) oder das hinterhältige College-Drama Das Maß der Dinge. Der auch beim Film erfolgreiche amerikanische Dramatiker, Drehbuchautor und Regisseur Neil LaBute schreibt einfach gute Geschichten für die Bühne, baut hinter einer fast boulevardesken Fassade schön gemeine Stolperfallen ein und nimmt die moralischen Verwerfungen der Gegenwart mit lakonischer Leichtigkeit aufs Korn. Dass Generalintendant und Regisseur Klaus Weise für LaButes neues Stück Wie es so läuft (uraufgeführt 2005 in New York) die Rechte zur deutschsprachigen Erstaufführung eroberte, ist ein Glücksfall für Bonn. Dass er dafür auch noch drei solch brillante Darsteller zur Verfügung hat, grenzt an ein Wunder, welches derzeit in dieser Stadt ja bekanntlich vom defizitären Haushalt und von der Kulturpolitik gefordert wird.
„This is how it goes“, singt bittersüß Aimée Mann, deren gleichnamiger Song den Autor zu seinem Stück inspiriert hat. Es läuft halt irgendwie in der Ehe von Belinda und Cody. Die hinreißende Birte Schrein spielt den Inbegriff der arrivierten amerikanischen Hausfrau, eine blonde Middle-Class-Beauty mit tiefgefrorenem Lächeln, aber stahlhartem Kern unter der weichen Puppenschale. Bei ihrem Trägerkleidchen wechseln die Farben; Schnitt und Muster bleiben gleich (Kostüme: Fred Fenner). Ihr Hunger nach Gefühlen macht sie verletzlich, lässt sie jedoch nicht einknicken vor den Männern, die sich einbilden, mit ihr ein leichtes Spiel zu haben.
Yorck Dippe ist der namenlose Mann und der Erzähler, der das Ganze hinreißend in der Schwebe hält zwischen möglicher Vergangenheit und aktueller Vergegenwärtigung auf der Bühne, die Gesine Kuhn mit luftig transparenten Lamellenwänden ausgestattet hat. Einkaufsmeile, Schlafzimmer und Gartenparty - alles kann in diesem leeren Raum zum Experimentierfeld werden, bei dem die feinen Risse in der sauber geordneten Gesellschaft mit leichter Schmerzverzögerung aufbrechen und ganz normale Ungeheuer gebären. Als virtuoser Conferencier aller unheiligen Allianzen verbündet Dippe sich augenzwinkernd mit dem Publikum, spielt witzig die Szenenanweisungen mit und kokettiert unverschämt charmant mit seiner eigenen Glaubwürdigkeit. Ex-Rechtsanwalt, Ex-Ehemann, Ex-Klassenclown, vom fetten Looser mutiert zum ansehnlichen Softie mit literarischen Ambitionen - ein durchaus brauchbares Objekt also im Ehekrieg Phipps gegen Phipps.
Cody Phipps war auf dem College nicht nur der blendend aussehende Sportcrack (Spezialität Langstreckenlauf), sondern auch der einzige Schwarze. Also das Objekt des Begehrens der Mädchen. Belinda hat sich diesen Siegertyp geangelt und damit gleich auch noch ihrer weißen bürgerlichen Familie eins ausgewischt. Cody hat sich hochgearbeitet zum erfolgreichen Geschäftsmann. Gaststar Falilou Seck spielt den selbstbewussten Aufsteiger elegant zwischen aufgestauter Wut und brutalem Machtinstinkt. Bei Bedarf hat er immer schon den "schwarzen Peter" in der Hinterhand gehabt, der bestens taugt fürs politisch korrekte schlechte Gewissen. Mit jedem Wort und jeder Geste scheint er beweisen zu wollen, dass Leistung sich lohnt: Schicke Frau, zwei wohl geratene Kinder, mein Haus, mein Auto, mein Sportverein. Und mein Geld, mit dem man sich Menschen kaufen und vom Hals schaffen kann - sich also rächen für die tatsächlichen oder eingebildeten Demütigungen im alltäglichen Rassismus. Den eifersüchtigen Othello gibt er eine Spur zu lässig: Belinda hat gute Gründe, dem Gatten nicht blauäugig zu vertrauen. Für ihr blaues Auge kann's zwar verschiedene Ursachen geben, aber bei den Szenen einer Ehe ist handgreiflicher Nahkampf angesagt.
Ob der zufällig aus der Fremde aufgetauchte andere Mann seine hässlichen verbalen Übergriffe gegen eine farbige Kollegin bloß erfunden hat, bleibt ebenso offen wie die Höhe des Lösegelds, das Cody ihm für die freundliche Übernahme seiner Gattin zahlt. Geschäftspartner regeln so was diskret beim Waldlauf. Hitchcocks Psychothriller werden beiläufig zitiert, aber wo Geld strömt, braucht kein Blut zu fließen. Wie es so läuft ist vordergründig nur eine überaus spannende Komödie. Wenn da nicht dieser kleine giftige Stachel im Fleisch der scheinbar geglückten Aufklärung wäre. Weises Inszenierung präpariert ihn messerscharf heraus aus dem nur scheinbar privaten Ehe-Desaster, macht dahinter die sozialen Fallstricke aus Stolz und Verachtung sichtbar. Dass die drei Figuren trotzdem nicht zu Objekten eines bösen Spiels werden, sondern sich als individuell handelnde Subjekte behaupten, ist eine schauspielerische Glanzleistung. Unbedingt sehenswert! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std. ohne Pause

Donnerstag, 18.01.2007

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