Tintenblut - kultur 40 - Oktober 2007

Fantastische Bücherwelt - Tintenblut. Das Musical. im Jungen Theater

Dass den wenigen Zuschauern, die Tintenherz nicht kennen, angesichts der Fülle der Figuren und hintergründigen Motive der rote Faden in Tintenblut manchmal abhanden kommen kann, ist nicht weiter schlimm: Die Tintenwelt bewahrt wie alle guten Bücher eben Geheimnisse, die sich dem Verstand nicht auf den ersten Blick erschließen. Um die Abenteuer der von einem Dichter erfundenen Figuren, die durch die Lektüre plötzlich ein Eigenleben entfalten, das nicht so leicht wieder zwischen die Zeilen zu bannen ist, geht es schließlich.
In Tintenblut, dem Mittelteil von Cornelia Funkes fantastischer „Tintenwelt-Trilogie“, werden die Konflikte ernster und die Gefühle größer als in Tintenherz, das das Junge Theater Bonn vor einem Jahr mit riesigem Erfolg als Musical auf die Bühne brachte. Die komplex verwobenen Handlungsfäden des Romans hat Intendant Moritz Seibert für die Uraufführung von Tintenblut wieder gemeinsam mit dem Regisseur Marco Dott entwirrt, in eine klare dramatische Form gebracht und emotional verdichtet. Zwischen den flotten Songs (Stephan Witt), den pfiffigen Tanzeinlagen (Choreographie von Valerie Joy Simmonds, die auch die musikalische Einstudierung übernommen hat) und vielen heiteren Szenen gibt es leise Szenen mit dem Mut zur konzentrierten Ruhe und anrührenden Nachdenklichkeit. Das fantastische Bühnenbild hat wieder Laurentiu Tuturuga entworfen, die Kostüme Brigitte Winter.
Vater Mo (Marcus Brien), seine in der Tintenwelt verstummte Frau Resa (Andrea Brunetti) und Töchterchen Meggie konnten sich am Ende von Tintenherz gerade noch rechtzeitig in die ‚normale' Welt zurücklesen. Aber Staubfinger (Christoph Banken) muss unbedingt ins fatale Buch und zu seiner Gattin Roxane (Valerie Joy Simmonds) zurück, weil der wilde Sänger Orpheus (Sören Ergang) dem bösen Basta (Jan Herrmann) freie Bahn im Reich des grausamen neuen Tintenwelt-Diktators Natternkopf (Rolf Bidinger) verschafft hat. Der grandiose Show-Auftritt von Giselheid Hoensch als alter, rachedurstiger Mortola lässt nichts Gutes ahnen.
Klar, dass die Kinder Meggie und ihr aus der Tintenwelt entsprungener junger Freund Farid da gegen alle elterlichen Warnungen eingreifen müssen. Die 13-jährige Amina Schichterich (alternierend mit Caroline Tyka) liefert eine darstellerisch unglaublich differenzierte Charakterstudie des selbstbewussten, tapferen Mädchens. Der 14-jährige Marius Mik (alternierend mit Marvin Goddon) bezaubert sowieso alle Mädchenherzen. Weil Meggie ebensoviel Schmetterlinge im Bauch wie Neugier im Kopf hat, müssen Mo und Resa ihr in die Schreckenswelt des Natternkopfes folgen.
Glücklicherweise gibt es die poetische Edelfeder Fenoglio (Peter Neumann), die ihr Dichtermäntelchen gern nach dem herrschenden politischen Wind dreht, aber zur Not auch Leute aus den erlesenen Geschichten rettet. Und den frechen kleinen Glasmann Rosenquarz, dem der technische Leiter und gelernte Puppenspieler Michael Schmidt seine Stimme leiht. Staubfinger opfert für die Wiederauferstehung des schnöde ermordeten Farid den weißen Todesfeen sein Leben, aber die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende. Die Uraufführungsrechte für Cornelia Funkes in diesem Herbst erscheinenden Roman Tintentod hat sich das JTB längst gesichert.
Das mitreißende Finale „Zeig mir die Welt“ verweist schon auf neue Reisen in die Traumwelt der Bücher. Aber zunächst mal muss man Tintenblut unbedingt gesehen haben. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 21/4 Std., eine Pause
Im Programm bis: ???
Für Zuschauer ab 10 Jahren.

Mittwoch, 15.10.2008

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