Mit 17 hat man noch Träume - kultur 40 - Oktober 2007

Schrille Schlager-Revue - Mit 17 hat man noch Träume im Kleinen Theater

Die Hamburger „Familie Malente“, bundesweit bekannt aus der Schmidt Mitternachts­show und vor zwei Jahren im Kleinen Theater Bad Godesberg schon sehr erfolgreich mit ihrer Schlager-Revue Souvenirs, hat sich mit ihrem neuen, im April dieses Jahres in Hamburg uraufgeführten Programm Mit 17 hat man noch Träume (Regie: Dirk Voßberg) von den goldenen 50er Jahren zu den Ohrwürmern der turbulenten 60er vorgearbeitet. Mit tollkühnem Tempo, hinreißend schrägem Witz und einer gehörigen Portion Selbstironie.
In der pfiffigen, bis in die flatternden Fingerspitzen durchgefeilten Choreographie von Sebastian Kraft lassen die fünf Malentes auf der kleinen Bühne die Plateausohlen und Bleistiftabsätze dampfen. Und sie können singen: Perfekt live ohne Playback trotz Mikroports, nur die flotte Band wird vom Band zugespielt. „Küsse unterm Regenbogen“ haben sie allein für diese musikalische und tänzerische Präzisionsleistung schon verdient. Für die schrillen Kostüme (Knut Vanmarcke), die klimpernden Wimpern und Perückenorgien (Maske: Katrin Mumme) und die wandlungsfähige Bühne (Bettina Bick/Anja Kleinhans) mindestens drei Sterne vom Himmel über Big Ben oder der Bonanza-Ranch. Auch wenn damals ein deutscher Bundespräsident nicht immer ganz sicher war, wo das Sauerland aufhört und die Prärie beginnt.
Wir waren schließlich mal Winnetou, durften den nikotinhaltigen Duft der großen weiten Welt schnuppern und bei einer uralten Promille-Einstiegsdroge die Mayonnaise-Tupfer auf den Tomatenhütchen der beliebten Eier-Fliegenpilze verdauen. Und die Mädchen, die „Mit 17 noch Träume hatten“, die sich notorisch auf die in den Himmel der Liebe wachsenden Bäume reimten, ließen mit Twiggies Hungermode die Rocksäume nach oben wandern, wünschten sich „Einen Cowboy als Mann“ und eine Waschmaschine für die verschwitzten Hemdkrägen der Westernhelden. Damals brauchte frau sich nur zwischen dem weißen Riesen, dem luftigen Ariel, der braven Tante Tilly und der bodenständigen Klementine zu entscheiden. Sauber oder rein, das war die existenzielle Grundfrage. Und in Vico Torrianis TV-Kochshows war Musik drin.
Bunte Funken aus dem bühnenbeherrschenden Schwarz-Weiß-TV-Bildschirm schlagen die Malentes brillant. Vico Malente ist Papa Egon Dobermann mit schauerlicher Strick­jacke und bissigem Doggencharme. Sein Bruder Peter ist als Peter Janzen zwischen Roy und Rex der ewig grinsende Sunnyboy mit Dackel-Silberblick. Melanie Stahlkopf (auch verantwortlich für die musikalische Leitung) hat als Mama Dobermann und feiste Betriebsnudel die ganze Family bestens im Griff. Töchterchen Lore (entzückend süß und jung: Anne Patricia Nilles) hat die Bravo-Sozialisation drauf und ersetzt - „Ich geh noch zur Schule“ - glatt ein paar Schulmädchenreporte. Bianca Arndt als emanzipierte Gattin Ingrid Janzen hat einen leicht gefährlichen Führerschein, ist mit ihrer tollen Stimme und spielerischen Präsenz aber kaum ein Versicherungsrisiko.
Kultig, lustvoll durchgeknallt und mit einem fulminanten Beifall vom textsicheren Silbersee der Generation „Fury“ und „Lassy“ belohnt. Der Witz ist: Auch deren Enkel haben die unverwüstlichen Stilblüten der populären deutschen Liedkultur noch im Ohr. Das Schöne ist: Die Malentes parodieren unverschämt komisch wirklich alles zwischen den „Weißen Rosen aus Athen“ und der Warnung vor roten Lippen, die man unter der „Lateeerne“ im Stadtpark küssen und dabei die Zeit (nicht alle Nummern stammen aus den Happy Sixties) schlicht vergessen sollte. Das Schönste ist: Die Malentes bleiben noch eine Weile in Bad Godesberg und kommen ganz bestimmt wieder. Und eine CD mit ihren eigenwilligen Arrangements der Schlagerklassiker gibt es auch. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 1/2 Std. inkl. Pause
Im Programm bis: 14.10.07

Dienstag, 02.02.2010

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