Aurora - kultur 40 - Oktober 2007

Opernseligkeit - Aurora von Rose Kneissler im Euro Theater

Natürlich fließt in Auroras Adern genauso viel Theaterblut wie in denen des unverwüstlichen Requisiteurs Josef Bieder, dessen „Sternstunde“ Viktor Weiss jahrelang am Euro Theater Central zum Leuchten brachte. Das 2006 am Stuttgarter „Theater unterm Dach“ uraufgeführte Stück Aurora, übernehmen Sie! hat die Autorin und Schauspielerin Rose Kneissler (in den 90er Jahren auch mal am Schauspiel Bonn engagiert) sich selbst auf den Leib geschrieben. Unter dem Titel Aurora! - Solo für eine Putzfrau am Theater hat Hausherrin Gisela Pflugradt-Marteau diese vergnügliche Theater-Morgenröte jetzt im Euro Theater Central inszeniert und damit dessen 38. Spielzeit eröffnet.
Wenn im Theater die Lichter ausgehen, ist guter Rat teuer. Wenn man eine Raumpflegerin wie Aurora hat, ist jedoch auch ein totaler Stromausfall kein Grund zur Panik. Sie schnappt sich einen kleinen Scheinwerfer, versorgt das erwartungsvolle Publikum mit Taschenlampen und bringt es auf der Probebühne erst mal in Sicherheit. Vielleicht kann der Troubadour ja wenigstens konzertant aufgeführt werden.
Aurora Häussler hat nicht nur als Reinigungskraft bei der Firma Sauber Sieber solide Bodenhaftung. Angela Fischer - übrigens ebenso wie die zur Premiere angereiste Autorin ausgebildet an der Stuttgarter Hochschule für Darstellende Kunst - fiel bereits als temperamentvolle Dona Rosa in Brennende Geduld auf, einer höchst erfolgreichen Produktion des Euro Theaters, die auch weiterhin auf dem Spielplan bleibt. Nun schlägt die Schauspielerin und erfahrene Kabarettistin solch „Lodernde Flammen“ aus dem Zigeunerlager von Verdis Troubadour, dass man ihr die sehr privaten Gesangsstunden bei dem Starbariton Titko wirklich gönnt. Wie soll man die Oper schließlich begreifen, ohne die Leidenschaften und Grausamkeiten in der Garderobe am eigenen Leib erprobt zu haben. Auroras begeisterte Nacherzählung der nicht gerade einfachen Handlung des „Trovatore“ könnte jedenfalls alle Opernführer neidisch machen.
Der Hang zum Höheren wurde ihr in die kleinbürgerliche Wiege gelegt, auch wenn die Sonne selten über ihrer Biografie aufging: Wer nie seine Bratkartoffeln mit Tränen aß und nie weinend im Call-Center saß, kennt die himmlischen Mächte der Oper nicht wirklich.
Angela Fischer mit rotem T-Shirt, aufgekrempelten Jeans und Putzfrauenlatschen lässt bei allem Realismus nie einen Zweifel daran, dass ihre grundsympathische Aurora eine Kunstfigur ist. Wie sie schüchtern lächelnd die fiktiven Peinlichkeiten meistert und mit wachsendem Selbstbewusstsein ihre real existierenden Zuschauer einfängt, dabei ihr bescheidenes Leben tapfer verteidigt und einige Situationen spielerisch vorführt, ist nicht nur komisch, sondern hat auch emotionale Tiefe. Wenn's allmählich gemütlich wird, hat sie sogar einen Kasten Bier für die durstigen Zuschauer parat: Wenn die Stadtwerke den teuren Strom abdrehen, fließt halt kostenloser Gerstensaft.
Bis alle es für durchaus denkbar halten, dass Aurora eigentlich die Azucena spielen muss. Weil sie die Oper ganz schlicht und einfach liebt. Großer, herzlicher Beifall! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1,5 Std., keine Pause
Im Programm bis: ??? ?

Dienstag, 18.12.2007

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