Hände weg von meiner Frau! - kultur 49 - September 2008

Ein Mann sieht rot - Hände weg von meiner Frau! von Sam Bobrick und Ron Clark im Contra-Kreis-Theater

„Zuneigung? – Manche Frauen mögen das“, sinniert George Bartlett, als ob es sich um eine dieser unergründlichen weiblichen Abnormitäten handelte wie die Freude über rote Rosen oder ein romantisches Candlelight-Dinner zum Geburtstag. Blumen gibt’s genug im Garten, außerdem hat er seine Gattin gleich nach der Eheschließung in eine Lebensversicherung eingekauft und ihr zum 20. Hochzeitstag sogar ein nagelneues rotes Kofferset geschenkt. Genau dieses packt Roberta Barlett nach der phantastisch gelungenen Hochzeitsfeier von Tochter Margret. Die Braut sah hinreißend aus – vor allem am Arm ihres großartigen Papas, der selbstverständlich eine glänzende Rede gehalten hat. Selbst das von George bestimmte Menu wäre unübertrefflich gewesen, wenn der Bräutigam, dessen Anwesenheit eigentlich sowieso überflüssig war, nicht beim Dessert seinen Geschmack durchgesetzt hätte.
Roberta war in ihrem eleganten roten Kleid (Kostüme: Angela Neis / Gerhard Kropp) auch sehr dekorativ beim großen Auftritt von George. Außerdem hat sie ihm jahrelang täglich sein Müsli zum Frühstück gemacht, in seinem komfortablen Häuschen in einer besseren Gegend von New York gewohnt und mit ihrem geschäftlich erfolgreichen, gut aussehenden und absolut treuen Mustergatten eine ideale Ehe geführt. Und zieht dann seelenruhig zu dem deutlich jüngeren Jimmy in dessen nicht gerade luxuriöse Wohnung, wo schon mal ein Kleiderhaken von der Wand fällt (hübsch wackliges Bühnenbild von Thomas Pfau). Doch ein Mann wie George gibt nie auf, selbst wenn er irgendwann rot sieht und im Großstadtdschungel westernmäßig sein Eigentum mit der Flinte einfordert…
Hände weg von meiner Frau! heißt die neue Komödie des bekannten amerikanischen Autorenduos Sam Bobrick und Ron Clark, die das Theater-Urgestein Wolfgang Spier (Jahrgang 1920!) mit brillantem Sprachwitz übersetzt und mit feinem Humor im Contra-Kreis-Theater inszeniert hat. Da sitzt jede Pointe perfekt, da treibt jede überraschende Volte mit leichtfüßiger Selbstverständlichkeit die pfiffig konstruierte Geschichte mit irrem Tempo auf Hochtouren. Wolfgang Spier führt dabei nicht nur Regie, sondern mischt in der Rolle von Georges schlitzohrigem Freund und Geschäftspartner Alex Spranger auch lustvoll mit beim Kampf um die alten und neuen Familienterrains. Unternehmerisch regelt dieser lebenserfahrene Menschenkenner gern mal was mit links, hat aber das Herz auf dem rechten Fleck.
Dass aus dem egozentrischen, geradezu pathologisch selbstgerechten Familienoberhaupt George kein eindimensionales Macho-Monster wird, liegt an dem großartigen Hans-Jürgen Bäumler. Er gibt diesem völlig realitätsblinden, grenzenlos naiven, absolut unbelehrbaren, hilflos polternden Betonkopf genau die menschlichen Züge und sympathischen Facetten, ohne die das ganze Drama unglaubwürdig würde. Dieser tragikomische Held glaubt ja fest an seine Ideale und wider alle Vernunft auch noch an sich selbst.
Er kann’s einfach nicht begreifen, dass es Roberta nicht um einen kurzen Seitensprung geht, sondern tatsächlich um ein dauerhaft anderes Leben. Die souveräne Claudia Rieschel verkörpert diese schöne, kluge Frau, die sich nicht kopflos in irgendwelche Abenteuer stürzt, aber gerade noch jung genug für eine neue große Liebe ist. Zumal Jimmy Skouros, griechischstämmiger Kellner beim kleinen Italiener um die Ecke, nicht dieser übliche Boulevard-Latin-Lover mit hohem Spaßfaktor und geringer Verweildauer in weiblichen Biografien ist. Cyrus David, zum ersten Mal im Contra-Kreis, spielt diesen netten jungen Mann einfach hinreißend: ein ernsthafter Romantiker und sensibler Liebhaber: intelligent, freundlich, unaufdringlich selbstbewusst. Kein Superheld, sondern exakt das menschliche Format, mit dem Roberta ein spätes Glück erleben kann. Was außer George eigentlich jedem klar ist.
Wenn dieser wutschnaubende Gefühlsberserker sein frisch verheiratetes Töchterchen (glänzend: Tessa Höchtl) aus den Flitterwochen einfliegt, um Roberta die Leviten zu lesen, entpuppt sich die gescheite junge Dame zu seinem Erstaunen als verständnisvolle Eheberaterin ihrer Eltern. Guter Hoffnung ist zudem nicht nur sie, sondern auch ihre Mutter. „Und das in meinem Alter!“ triumphiert der strahlende Gatte, der zuvor schon beim Wort „Sex“ in eheliche Krisenstimmung geriet.
Nach der Pause haben sich zwei Bäuche hübsch gerundet. Immerhin wird Margrets Brüderchen zwei Monate älter sein als Robertas Enkelkind, und beim Babysitten können die beiden glücklichen Mütter sich bestens zur Seite stehen. Was angesichts von Georges männlichem Furor entschieden nützlich ist. Monica Kaufmann als Robertas schrille Freundin Betty Sutton bräuchte für ihre intrigante Koketterie zwar fast schon einen Waffenschein; erweist sich jedoch als weiblich solidarisch und in Georges durchgeknallter Strategie als herrlich komische Fehlzündung. Als geduldiger Restaurantgast Fred und als tapferer Polizist macht der junge Martin Brunnemann gute Figur.
Jimmy wird mit Hilfe eines tüchtigen Kompagnons jedenfalls ein eigenes Spitzenrestaurant eröffnen, benannt nach seinem und Robertas Sprössling Demetrius. Die mit vielen geistreichen Zwischengängen erzählte Vorgeschichte ist jetzt schon sternverdächtig. Ein spätsommerliches kulinarisches Vergnügen und für den Contra-Kreis ein perfekter Saisonstart. Unbedingt sehenswert! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 ¼Std., eine Pause
Nächste Aufführung: täglich
Im Programm bis: 20.09.08

Dienstag, 16.12.2008

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