Die 39 Stufen - kultur 56 - April 2009

Irrwitzige Kriminalkomödie - Die 39 Stufen von Patrick Barlow nach John Buchan und Alfred Hitchcock im Contra Kreis Theater

Alfred Hitchcocks Verfilmung von John Buchans Spionagethriller Die 39 Stufen, gedreht 1934, bevor der Regisseur nach Hollywood ging, ist ein absoluter Klassiker. Übertroffen wird das Meisterwerk allenfalls noch von der irrwitzigen Theaterfassung, die der Autor, Regisseur und Schauspieler Patrick Barlow nach einer Idee von Simon Corble und Nobby Dimon verfasst hat, und die seit 2006 mit Riesenerfolg in London läuft. Horst Johanning hat das Stück, ausgezeichnet u. a. mit dem Olivier Award für die „Best New Comedy“, in London entdeckt und jetzt im Contra-Kreis inszeniert. Very british und absolut hitverdächtig!
Es ist alles da, das prächtige Palladium-Theater mit zwei Prozeniumslogen (Bühnenbild: Pit Fischer), Richard Hannays Londoner Junggesellenwohnung, die Eisenbahnfahrt nach Schottland (der „Flying Scotsman“ rattert munter übers Bühnenportal), der tollkühne Sprung aus dem fahrenden Zug auf der Forth-Bridge, die Jagd durch die Highlands, die Nacht in Handschellen im Honeymoon-Hotel und natürlich die aufregenden, endlosen Seiden­strümpfe der undurchsichtigen Margaret…
Florian Reiners spielt den Kanadier Richard Hannay, der unversehens in eine lebensgefährliche Spionageaffäre hineingezogen wird. Hannay mit dem äußerst attraktiven schmalen Oberlippenbart und auch nach strapaziösen Fluchten über Klippen, durch Moore und reißende Bäche immer noch der perfekte Gentleman. Klar war das alles nicht so geplant, als er die reizende Annabelle nach seinem Varieté-Besuch auf ihren Wunsch hin mit nach Hause nahm. Natalie O’Hara spielt nicht nur die geheimnisvolle dark Lady (tolle Kostüme: Monika Seidl), der am nächsten Morgen äußerst dekorativ ein Messer im Rücken steckt. Sie ist auch das junge schottische, blondzöpfige Landei Pamela, die dem charmanten Gast nicht nur seine Unschuld glaubt, sondern auch mit dem Sonntagsmantel ihres fromm verknöcherten alten Gatten aus der Patsche hilft. Das Gesangbuch als Kugelfang ist einer der schönsten Einfälle der Kinogeschichte. Als Margaret, elegante Gattin des Schützen, macht O’Hara, unfreiwillig per Handschellen an Hannay gekettet, ebenfalls gute Figur.
Alles andere spielen René Toussaint und Charles Ripley. Wie sie mit aberwitzigem Tempo die Rollen und Kostüme wechseln, ist ein absolut sehenswertes Kunststück. Als Killer unter der flott herbeigeschafften Straßenlaterne, Polizisten, komische Dessous-Spezia­listen im Eisenbahnabteil, Gesellschaftslöwen und Bauerntrampel. Ripley glänzt als marionettenhafter Mr. Memory, als verschrobener Landwirt und durchgeknallte Hotelbesitzergattin. Toussaint mutiert vom Showmaster zum Milchmann, vom mörderisch zynischen Professor zum vertrottelten Gastwirt und gibt auch noch einen völlig glaubwürdigen Stechginsterstrauch. Wie alle zwischendurch mit ein paar effektvoll eingesetzten Requisiten in einer virtuosen Umbau-Choreographie Szenen und Schauplätze arrangieren, ist ein umwerfendes Vergnügen. Alles ist möglich in diesem vor überraschenden Einfällen sprühenden Live-Spektakel zum Film. Den sollte man möglichst vorher noch mal anschauen, um den ganzen spielerischen Esprit zu genießen. Ein brillant geistreicher Spaß, mordslustig! Lohnt ohne Zweifel sogar einen mehrfachen Besuch.
E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2¼ Std., eine Pause
Im Programm fast täglich bis: 10.05.09

Samstag, 02.01.2010

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