Reden mit Mama - kultur 55 - März 2009

Anarcho-Pensionisten im Vormarsch - Reden mit Mama von Jordi Galceran im Euro Theater

Mama ist über achtzig und stets für Überraschungen gut. Mit ihrem hellwachen Verstand durchschaut sie schnell, dass irgendwas nicht stimmt mit Sohn Pablo, der plötzlich mit ihr reden will. Schließlich war er schon lange nicht mehr zu Besuch. Klar: die Arbeit, die Villa, die Gattin und die beiden Kinder haben Vorrang. Reden mit Mama ist eine ungemein witzige Dialogkomödie des spanischen Autors Jordi Galceran, der mit seinem brandaktuellen Wirtschaftskrimi Die Grönholm-Methode die deutschen Bühnen eroberte. Der Kölner Regisseur Stefan Krause hat das Stück jetzt im Euro Theater Central sehr pointiert und flott inszeniert.
Zwei Rücken an Rücken aufgestellte Gartenbänke reichen als Schauplatz für den verbalen Schlagabtausch. Krause vertraut dabei zu Recht ganz auf die beiden Darsteller (beide arbeiten zum ersten Mal am Euro Theater), deren spielerische Präsenz die Gespräche zu einem hochkarätigen Vergnügen macht. Hanno Dinger ist der leicht zerzauste Sohn, der eigentlich nur gekommen ist, um Mama den Verkauf ihrer Wohnung anzukündigen. Es hat ihn leider kalt erwischt: Der gut dotierte Job ist weg, das große Auto nicht mehr zu halten und die anspruchsvolle Frau möglicherweise auch nicht. Wobei letzteres Mama nicht sonderlich zu treffen scheint angesichts der Aussicht, damit auch Pablos Schwiegermutter loszuwerden. Wie’s denn so im Ehebett liefe, möchte die resolute alte Dame stattdessen gern wissen und blinzelt listig hinter ihrer Brille, wenn Pablos Miene nicht gerade euphorisch aussieht.
Gabriele Schulze spielt hinreißend die energische spanische Mutter, für die jeder noch so erfolgreiche Sohn immer ein Kindskopf bleibt. Mama mag mit den Jahren ein wenig schrullig geworden sein, ist mit dem Leben aber gut klar gekommen. Im lässigen Trenchcoat und mit bequemer Hose entspricht sie ohnehin nicht gerade dem Klischee des braven alten Hausmütterchens.
Weil sie das Herz auf dem rechten Fleck hat, kochte sie für den ans Kapital verlorenen Sohn immer noch eine Portion ihres herzhaften Kichererbseneintopfs mit. Weil nicht nur die streunenden Katzen die Reste höchst schmack­haft fanden, sondern auch der obdachlose Gregorio eine Schwäche für Hülsenfrüchte hatte, schlägt Mamas Herz jetzt sehr weit links. Gregorio stammt aus Argentinien, ist Anarcho-Pensionist und mit seinen 59 Jahren gegenüber Mama eigentlich noch ein Grünschnabel, hat jedoch überzeugende Grundsätze: „Genug zu essen und besserer Sex für alle!“ Und weil er zur Verwirklichung dieser schlichten Ziele jetzt bei Mama wohnt, kann Pablo die Wohnung nicht verkaufen. Wolke neun hin und her, Mamas neuer Lover ist, wenn er nicht gerade Domino spielt, protestiert oder Rohre repariert, der perfekte Wohnungsauf­lösungs-Verhinderungsgrund.
Einige Zeit später ist Mama zwar tot, aber deshalb nicht weniger lebendig. Für ihre Beerdigung hat sie sich noch mal richtig fein gemacht: Elegantes Schwarzes, schi­cke rote Schuhe, dezentes Make-Up. Pablo hat sich beim Sarg nicht lumpen lassen und auch den Mercedes zum Friedhof spendiert. Mama genießt ihren letzten großen Auftritt sichtlich. Schließlich ist alles bes­tens geregelt: Pablo wird nach dem Verkauf seines Geländewagens bei Gregorio einziehen und das Kichererbseneintopf-Rezept seiner Mutter (erstes Ehrenmitglied der neuen Anarcho-Pensionisten-Gruppe in Ehren halten. Der Premierenapplaus für die bezaubernde Hommage an die Revolution der jungen Alten und speziell die aufgeweckten Mütter der Hausbesetzergeneration wollte kaum enden. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1¾Std.inkl. Pause
Nächste Vorstellung: 03.03.09
Im Programm bis: ???

Samstag, 02.01.2010

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