Die Perle Anna - kultur 68 - Juli 2010

Sturmfreie Wohnung mit vielen Türen: Die Perle Anna im Contra-Kreis-Theater


Den Unterschied zwischen Einkaufen und Shoppen kennt Anna ganz genau. In französischen Komödien sind seit Molière die Hausangestellten meistens gewitzter als ihre Herrschaft. Marc Camoletti, der mit seinem Stück Boeing-Boeing international berühmt wurde, landete mit Die Perle Anna 1958 in Paris seinen ersten großen Bühnenerfolg. Das Stück bleibt in der neuen Inszenierung von René Heinersdorff typisch pariserischer Boulevard: geistreich, ein bisschen frivol und sehr charmant.
Der gute Geist im Haushalt des langjährigen Ehepaars Bernard und Claudine ist Anna, gespielt von Christiane Rücker. Liebenswürdig bewaffnet mit Staubwedel und großem Herzen für kleine Geheimnisse, größeren Geldscheinen ebenso wenig abgeneigt wie der gut gefüllten Hausbar. Rückers fabelhafte Anna grummelt und lässt sich nicht alles gefallen, ist aber ein echter Schatz, bei dem man nächtens auf dem Sofa schon mal sein Herz ausschütten kann. Rücker ist das Zentrum des munteren Durcheinanders und sorgt zuverlässig dafür, dass immer die richtigen Türen zubleiben.
Eigentlich ist ja niemand da. Bernard musste an diesem Wochenende plötzlich und sehr dringend geschäftlich nach Lyon. Außerdem sorgte er sich so heftig um Claudines Mama, dass diese schließlich den Zug nach Rouen genommen hat. Beide waren so großzügig, ihre Perle Anna für eine Reise nach Maubeuge zu ihrem Vater bestens auszustatten. Wobei Anna angesichts ihres schmalen Lohns das hübsche Sümmchen lieber in den Sparstrumpf steckt, als es nach Griechenland entschwinden zu lassen. Natürlich spart die Regie nicht mit lustigen Anspielungen auf Wirtschaftskrise und Fußball-WM. Klar ist natürlich auch, dass Claudine und Bernard das Wochenende auf ihre Weise nutzen möchten, zumal sie sich mit erstaunlich kleinem Gepäck auf den Weg gemacht haben.
Was die elegante Claudine ­(Marion Mainka) auf ihren meistens nicht sonderlich ertragreichen Shopping-Ausflügen entdeckt hat, heißt Robert (Robert Chris­tott), ist ziemlich groß gewachsen und deshalb Basketball-Spieler. Leider vom Training recht ermattet und auch sonst eher sportlich als galant. Mit Körben kennt er sich aus, bei zärtlich gefüllten Körbchen wird er blass. Das süße Geheimnis des schlanken, grauhaarigen Bernard (Thomas Weber-Schallauer, unter Eschberg Mitglied des Bonner Schauspiel-Ensembles) heißt Claudine (Lilli ­Holunder), ist sehr jung, hübsch und temperamentvoll, überraschend heiratswillig und zudem stets scharf bewaffnet. Zwischen Schlaf- und Gästezimmer hat Anna folglich alle Hände voll zu tun, damit der Engel der Liebe ohne Fehltritt durch den Salon flattern kann.
Letzteren hat übrigens Pit Fischer geschmacks­sicher in Cremeweiß und Pastellgrün ausgestattet. Weit über 100 Bühnenbilder schuf er für den Contra-Kreis. Am 8.Mai ist er im Alter von 73 Jahren gestorben. Sein Bühnenbild für Die Perle Anna war sein letztes. Wir werden ihn sehr vermissen.
Zurück zu der quicklebendigen Anna, die auch im Pyjama (Kostüme: Anja Saafan) schlaflos gute Figur macht zum zweifelhaften Vergnügen ihrer Arbeitgeber. Midlife-Crisis-Seitensprünge in allen Ehren, wenn der Ball – um mit Robert zu sprechen – im Korb landet. Anna weiß genau, was Treue ist. Inkl. Treue zum Calvados und zum Trinkgeld. Saubere Problemchen-Lösungen ohne Reue sind schließlich ihre Spezialität.
Ein flotter Spaß mit Andeutungen von Tiefgang und einem äußerst sympathischen Schauspielerquintett. Eine reizende Alternative zum sommerlichen Rudelglotzen. Überzeugter Beifall auch bei der zweiten Vorstellung, die trotz der Konkurrenz auf dem südafrikanischen Rasen fast ausverkauft war.
E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1¾ Std., eine Pause
Im Programm bis: 31.07.10
Nächste Vorstellungen:
Fast täglich außer montags

Dienstag, 15.02.2011

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