Eine etwas sonderbare Dame - kultur 76 - Mai 2011

Richtig nette Irre: Eine etwas sonderbare Dame im Kleinen Theater

Ein bisschen verrückt sind Hannibal, Fairy May und Mrs. Paddy durchaus. Deshalb sind die drei reizenden älteren Herrschaften in einer psychiatrischen Privatklinik gelandet und warten gespannt auf die neue Patientin. Die schwerreiche Witwe Mrs. Ethel Savage erscheint freilich nicht freiwillig in dem teuren Sanatorium Villa Waldfriede. Ihre erwachsenen Stiefkinder haben die alte Dame entmündigen lassen, weil deren Umgang mit dem ererbten Vermögen ziemlich eigenwillig ist. Sie hat nämlich klar begriffen: „Wir können die Verrücktheiten nicht vergessen, die uns das Leben vorenthalten hat.“ Anderen Menschen verrückte Wünsche erfüllen, macht ihr Vergnügen. Sogar den Traum vom Theater hat sie sich gegönnt und ist als Schauspielerin in einem von ihr selbst verfassten und finanzierten Stück aufgetreten, das trotz oder wegen der miserablen Kritiken ein Broadway-Renner wurde.
Die Komödie Eine etwas sonderbare Dame des irischstämmigen Amerikaners John Patrick (1905 – 1995) ist seit ihrer New Yorker Uraufführung 1950 ein unverwüstlicher Bühnenrenner und war bereits mehrfach am Kleinen Theater Bad Godesberg zu sehen. Entzückend neu inszeniert hat das Stück nun Rolf Heiermann, dem mit Christiane Rücker eine Idealbesetzung für die Rolle der „Curious Savage“ (engl. Originaltitel) zur Verfügung steht. Mit kokettem Hütchen auf dem grauen Haar, elegant zeitlosem hellblauem Kleid (Kos­tüme: Kara Schutte) und einem reichlich verschlissenen Teddybär im Arm betritt sie den Narrenkäfig (hübsches Salon-Bühnenbild: Anita Rask Nielsen), hinter dessen rigoros verschlossenen Türen immer jemand die Ohren spitzt. Rückers Mrs. Savage hat nicht nur einen unverschämten Grips in der Birne, mit dem sie ihre geldgierigen Nachkommen auf peinlich falsche Fährten lockt, sondern vor allem ein großes Herz für Tagträumer und originelle Luftschlossbewohner.
Sie sind kreative Lebenskünstler wie der charmante Hannibal (Wolff von Lindenau), der selig seiner Geige herrliche Misstöne entlockt und melancholisch Patiencen legt. Oder die zart vergreiste Elfe Fairy (Christiane Hecker), die von allen geliebt werden möchte und sich selbst mit schrillen Outfits zum Kunstwerk stilisiert. Oder die fette Paddy (Dana Cebulla), die barfüssig stumm ihre ozeanischen Gefühle auf der Staffelei festhält und den Rest der Welt abgrundtief hasst. Ganz besonders Elektrizität, weshalb sie gern zum Lichtschalter greift, was nach dem dramatischsten Moment der Inszenierung ein kopfloses Plüschtier und ein scheinbar verbranntes Vermögen hinterlässt.
Dass Mrs. Savages überdrehte Stieftochter Lilly Belle (Gunhild Branchart) zwecks Auszahlung diverser Gatten und geistloser Partyexistenz-Sicherung auf der Suche nach dem schönen Geld einem ausgestopften Wal zu Leibe rückt und Stiefsohn Titus (Konrad Domann) seine erkaufte Senatorenkarriere zwischen den Tulpenzwiebeln im Garten des Weißen Hauses begräbt, sind strategische Nebeneffekte im Spiel der souverän naiven Lady, die am Ende überzeugt Verrückte allen bekloppten Normalos vorzieht.
Eine zwielichtige Rolle bei der Rettung der lukrativen Papiere spielt die brave Sanatoriums-Hausdame Wilhelmina (Fabienne Hesse). Seelenklempner Dr. Emmett (Markus Exner) könnte die sonderbare Dame, die nicht umsonst „Savage“ heißt und nicht grundlos übers Kuckucksnest flog, eigentlich entlassen. Die hat jedoch bei den liebenswürdigen Irren ein spätes Lebensglück gefunden. Mit denen kann man kostbares Theater machen und wunderbar künstlich eine erfundene Wirklichkeit erträumen. Mit amüsanten Bonmots und kleinen intellektuellen Spitzen gegen die Käuflichkeit der Fantasie. Leise launig in bravourösen Personenstudien und übersichtlicher Krimihandlung verpackt. Die Vernunft gehört den liebenswürdig Irren, die kindlich närrisch nicht so zugerichtet werden wollen, wie die grotesk Tüchtigen sie haben möchten… Überzeugter Premierenbeifall. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: 06.05.11

Donnerstag, 29.12.2011

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