Sünder/Sinners (Die Englischlehrerin) - kultur 90 - November 2012

Sünder/Sinners (Die Englischlehrerin) von Joshua Sobol in der Werkstatt: Eine verbotene Liebe

Es sei ein schöner Tag, sagt die Stimme unter dem schwarzen Tuch. Die Frau steckt bis zur Brust in einem Sandhügel. Es ist aber nicht Winnie aus Becketts Glückliche Tage, sondern Laila. Sie soll als Ehebrecherin gesteinigt werden. Wir wissen, dass solch schreckliche Hinrichtungen stattfinden in Ländern wie Somalia und dem Iran. Der israelische Autor Joshua Sobol erhebt in seinem 2011 in Tel Aviv uraufgeführten Stück Sünder/Sinners keine Anklage gegen ein politisches System, das aus religiösen Gründen Ehebruch mit dem Tod bestraft. Er erzählt die Geschichte einer unmöglichen Liebe.
Der in Bagdad aufgewachsene jüdische Regisseur David Mouchtar-Samorai gehört zur selben Generation wie sein Freund Sobol, der gern heiße Eisen anpackt und sich kritisch mit Geschichte und Gegenwart auseinandersetzt. Am Hamburger Schauspielhaus inszenierte Mouchtar-Samorai 1987 Sobols Die Palästinenserin, 1989 in Bonn die deutschsprachige Erstaufführung von Sobols Ghetto-Stück Adam. Nun hat er in der Werkstatt die deutschsprachige Erstaufführung von Sünder auf die Bühne gebracht. Die Szenerie (Bühne: Carla Friedrich) ist karg. Heller Sand, auf dem die nackten Füße des jungen Mannes Spuren hinterlassen, eine weiße Mauer im Hintergrund, faustgroße Steine für das Tötungsritual.
Die Frau will sehen, was geschieht. Sie trägt ein weißes Kopftuch wie eine Muslimin. Sie bekennt sich aber als Atheistin. Sie ist eine Intellektuelle, Englischprofessorin, literarisch gebildet, zwangsverheiratet wie ihr Schüler, den sie verführte. Birte Schrein spielt die todgeweihte Frau, die sich in ihrem Erdloch nicht mehr bewegen kann. Nur ihr Kopf ist hellwach. Sie kann sarkastisch sein und zärtlich, böse und anziehend. Sie spricht von ihrer Leidenschaft, ist direkt bis zur Obszönität und dann wieder sensibel und feinsinnig. Sie begehrt ihren Partner und demütigt ihn.
Arne Lenk im schwarzen Beerdigungs-Anzug (Kostüme: Urte Eicker) als junger Mann hat es schwer, sich gegen ihren Redefluss zu behaupten. Seine widersprüchlichen Empfindungen kann er zumeist nur über Bewegungen und Blicke zeigen. Vielleicht hat der Student und Familienvater selbst die wesentlich ältere, in jeder Hinsicht überlegene Frau verraten, weil er ihre Dominanz nicht mehr ertrug.
In einer guten Stunde spielen die beiden eine private Liebesgeschichte mit Höhen und Tiefen, die überall vorkommen könnte. Zum Psychothriller wird sie unter den barbarischen Bedingungen, die in jeder Sekunde präsent bleiben. Einen kurzen Moment lang steigt die Frau aus ihrem Gefängnis und beginnt einen seligen Traumtanz mit dem Geliebten. Doch das gemeinsame Glück bleibt eine Illusion.
Das kurze Drama mag kein künstlerisches Meisterwerk sein, der Intensität des Schauspiels kann man sich jedoch kaum entziehen. Die Aufführung ist mutig und wichtig als Beitrag zur dunklen Seite des Zeitgeistes. E.E.-K.

Spieldauer ca. 70 Minuten, keine Pause
Die nächsten Termine:
2.11. / 10.11. / 16.11. / 29.11. / 1.12. /
8.12. / 12.12. / 19.12.12

Dienstag, 12.02.2013

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