Peer Gynt - kultur 89 - Oktober 2012

Peer Gynt nach Henrik Ibsen/Edvard Grieg im Alten Malersaal (Halle Beuel): Lebensreise eines Träumers

Henrik Ibsens 1876 mit der Bühnenmusik seines norwegischen Landsmanns Edvard Grieg uraufgeführtes Drama hat mit dem psychologischen Realismus seiner späteren Stücke wenig zu tun. In der neuen Fassung des Regisseurs Jens Kerbel und der musikalischen Leiterin Ekaterina Klewitz hat es jedoch viel zu tun mit jugendlichem Aufbegehren gegen verkrustete Strukturen und der Angst vor einer unübersichtlichen Zukunft.
Im Alten Malersaal geht Peer Gynt (Andreas Theobald / Oliver Ewy) buchstäblich die Wände hoch, wenn seine Mutter Aase (Malin Koecke / Maria Honecker) mal wieder über seine Hirngespinste jammert. Dabei könnte der Bursche durch eine Heirat mit der reichen Ingrid (Lisa-Marie Ritter / Helene Ortmann) den maroden Bauernhof retten. Leider ist die jetzt vergeben. Bei der feuchtfröhlichen Hochzeitsparty entführt Peer dem ziemlich blöden Mads (Balthasar Schlotmann / Simon Webb) zwar die Braut. Aber nur, um sie schmählich sitzen zu lassen. Er hat nämlich das bezaubernde fremde Mädchen Solveig (Amelie Conrad / Sophia Linden) gesehen und gehört. Und Solveigs Lied gehört wirklich zum Schönsten, was je in Skandinavien komponiert wurde.
Die Erinnerung an das engelhafte Wesen wird ihn begleiten, wenn er vogelfrei seine Heimat verlässt. Bedrohlich lauert allerdings überall der todesengel-schwarze Knopfgießer (Clara Heinz / Sara Engels), der Peer mit seinem Schmelzlöffel zu einem nützlichen Geschöpf machen möchte. Den verführerischen Bergschönheiten entgeht Peer ebenso wie den wüsten Trollen. Zutiefst berührend ist die letzte Begegnung mit seiner sterbenden Mutter, die durch seine Schuld ins Elend geriet, aber dem unverbesserlichen Kindskopf alles verzeiht.
Der Träumer Peer will hoch hinaus, wird durch Zufall steinreich, spielt den Königssohn oder Propheten, wird von der arabischen Prinzessin Anitra (Lina Hoffmann / Kim Ende) um den Finger gewickelt und um sein Geld gebracht und landet im Irrenhaus. Ruhe findet er schließlich bei Solveig, die treu gewartet hat auf den alt gewordenen Nichtsnutz, der endlich begreift, wer er ist und wo er hingehört.
Auf der fast leeren Black-Box-Bühne von Uta Heiseke wird die Stationen-Geschichte sehr klar erzählt. Eine Augenweide sind die fantas­tischen Kostüme von Mathilde Grebot, die selbst aus Plastiktüten noch rauschende Troll-Ballerinenröcke gezaubert hat. Ein Sonderlob verdient die Maske unter der Leitung von Heike Beuke.
Wie perfekt all die vielen Solistinnen und Solisten ihre anspruchsvollen Gesangspartien beherrschen, grenzt an ein Wunder. Ekaterina Klewitz hat als Dirigentin nicht nur diese immer musikalisch im Griff, sondern auch den Kinder- und Jugendchor und das Orches­ter der Jungen Oper Bonn. Alle musizieren so animiert, als ob’s ums Leben ginge. Was ja auch stimmt: Von der schweren Kunst, sich selbst lebendig neu zu (er)finden, handelt ihr Stück. Und Jens Kerbels professionelle Inszenierung mit dem Opernnachwuchs-Ensemble kann sich getrost messen lassen mit prominenteren Aufführungen. Alle Vorstellungen vor der Sommerpause waren restlos ausverkauft. Die Gefahr, dass es auch bei der Wiederaufnahme schnell keine Karten mehr gibt, ist groß. E.E.-K.

Spieldauer: ca. 1 ¾ Stunden, keine Pause

Für Zuschauer ab 12 Jahren.

Donnerstag, 17.01.2013

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 18.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn