Morgensterns Galgenlieder - kultur 89 - Oktober 2012

Morgensterns Galgenlieder von Christian Morgenstern im Theater Die Pathologie: Gingganz, Mondschaf, Geiß und Schleiche

„Lass die Moleküle rasen“, empfiehlt Christian Morgenstern (1871 – 1914) den Lesern seiner 1905 erschienenen Galgenlieder. Und gibt mit einem Nietzsche-Motto gleich zu: „In jedem ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.“
Zum Beispiel mit dem Mondschaf, das auch auf Latein der großen Schur harrt. Melodramatisch, weil Konstantin Gockel auf seiner Geige jedes Flöckchen des seiner Wolle beraubten Tieres zum Klingen bringt. Auf seinen Saiten hüpft das berühmte Nasobem jedem Brehmschen Tierleben davon, was im Röhricht nur eine törichte Unke verübeln kann. Zumal das Wiesel bekanntlich nur wegen des Reims auf Kieseln im Bachgeriesel spaziert. Eichhörnchen brauchen da schon ein Körnchen, um dem Vierviertelschwein mit drei rosa Beinen graziös das Gekrös zu wiegen, bis der Geigerich mit einem letzten Strich seine Fiedelbogenpflanze vom Tanze löst. Maren Pfeiffer und Christoph Pfeiffer (beide trotz künstlerischer Leitung der Pathologie weder verwandt noch verschwistert oder verheiratet) machen aus Morgensterns absurden Gedichten kleine Szenen oder Dialoge. Henkersmädel Sophie streichelt mit tiefschwarzem Humor einen edlen Schädel, während die Rehlein ihre Zehlein zum Nachtgebet falten. Fisches Nachtgebet macht Maren Pfeiffer zu einem solch fromm stummen Ereignis, dass Christoph Pfeiffer ihr des Galgenstrickes dickes Ende nicht erspart. Natürlich lässt der Gockel den Raben Ralph krächzen, und auch sonst ist das ganze Bestiarium da, das man für einen höchst vergnüglichen Abend braucht. Selbst der Mond ist ja ein völlig deutscher Gegenstand, seit er nach Morgensterns Ansicht sein Zu- und Abnehmen buchstäblich an den Himmel schrieb.
Die im weiten Rahmenprogramm des ­Beethovenfestes 2012 uraufgeführte Produktion dürfte angesichts ihrer frechen Poesie etliche Mondphasen überstehen. E.E.-K.

Spieldauer ca. 70 Minuten, keine Pause
Die nächsten Termine: Standen bei Red.schluss noch nicht fest

Donnerstag, 17.01.2013

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