Die lustigen Weiber von Windsor - kultur 87 - Juni 2012

Die lustigen Weiber von Windsor von Otto Nicolai in der Oper: Köstliche musikalische Komödie

Drei reizende Elfen lässt der Schweizer Regisseur Tom Ryser durch die Szenerie tanzen und das Geschehen spöttisch kommentieren. Da räkelt sich schon mal eine auf der Harfe oder angelt sich eine Posaune aus dem Orchestergraben. Ryser bringt sehr viel poetischen Witz in die komisch-phantastische Oper Die lustigen Weiber von Windsor, bei der der Komponist Otto Nicolai (1810 – 1849) auf die bekannte Shakespeare-Komödie um den dicken, versoffenen Ritter Falstaff zurückgriff. Nicolais einzige, bis heute auf den Bühnen präsente Oper steht dort ein wenig im Schatten von Verdis letztem Meisterwerk Falstaff (1893), braucht sich aber in ihrer Verbindung von deutscher Romantik und italienischem Belcanto gewiss nicht dahinter zu verstecken. Zumal das Beethoven Orchester unter der umsichtigen Leitung von Robin Engelen für wunderschöne Farbakzente und viel atmosphärische Dichte sorgt.
Zu sehen ist eine bürgerliche Gesellschaft, in der der Ritter Falstaff mit seinen rotweiß gestreiften Hosen wie ein Fremdkörper wirkt. Ein seltsamer Clown, der bei seinem ersten Auftritt von hinten auf den gepflegten englischen Rasen kriecht und sein berühmtes Trinklied im zweiten Akt auf einer Telefonzelle sitzend zum Besten gibt. Der junge Bass Philipp Meierhöfer, ab der nächsten Spielzeit fest engagiert an der Komischen Oper Berlin, singt die Partie sehr differenziert und mischt spielerisch kleine tragische Momente in die Lustigkeit seiner Figur. Ryser hat ihm einen stummen Traumspiegel (Sebastian Alt) zugesellt, der den alten Schwerenöter, dem’s in Wahrheit kaum um erotische Abenteuer geht, nachäfft und seine Aktionen witzig ad absurdum führt.
Einen Spiegel hält er auch dem Publikum vor. Ausstatter Stefan Rieck­hoff hat den Zuschauerraum der Bonner Oper originalgetreu inkl. Intendantenloge auf der Bühne nachgebaut. Die Holzvertäfelung darf der Chor schon mal demontieren, wenn alle auf der Suche sind nach dem angeblichen Verführer. Very british ist der grüne Rasen von Windsor, ziemlich spießig möbliert das traute Heim. Die attraktiven Damen könnten schon ein wenig Abwechslung gebrauchen von ihrem eintönigen Alltag und sind deshalb durchaus geschmeichelt von den Liebesbriefen des mehr oder weniger edlen Ritters. Dass er sich nicht mal die Mühe gemacht, zwei unterschiedliche Schreiben aufzusetzen, ist allerdings gar zu keck und verdient einen Denkzettel. Zugegeben: Leicht verwechselbar sehen die Titelheldinnen in ihren 50er-Jahre-Kleidern schon aus. Die kokettere von beiden gibt Julia Kamenik (alternierend mit Ingeborg Greiner) mit wunderschön blühendem Sopran. Frau Fluth hat schließlich ein Hühnchen zu rupfen mit ihrem grundlos eifersüchtigen Gemahl. Giorgos Kanaris gibt sängerisch und spielerisch aufgeweckt den Herrn Fluth, der seine Frau mit ständigen Vorwürfen verfolgt und am liebsten vor allen Nachbarn bloßstellen möchte. Glücklicherweise hat Frau Fluth in Frau Reich eine schlaue Freundin. Die Mezzosopranistin Anjara I. Bartz (alternierend mit Daniela Denschlag) ist die gewitzte Intrigantin, die nichts anbrennen lässt.
Natürlich hat auch das Ehepaar Reich, das nicht zufällig so heißt, ein Problem in Gestalt einer heiratsfähigen Tochter, um die sich gleich drei Herren bewerben. Emiliya Ivanova singt die reizende Anna mit wundervoll jugendlich hellem Sopran und mädchenhaftem Charme. Das sie dem etwas steif daherkommenden Fenton ihr Ja-Wort gibt, muss an dem lyrischen Stimmschmelz liegen, mit dem Randall Bills sein Ständchen „Horch die Lerche“ ausstattet. Die Balkonszene mit der Intendantenloge ist ein Highlight in dem pointierten Verwechslungsspiel. Fenton meint’s freilich ehrlich mit der Liebe und ist nicht erpicht auf Annas Geld wie die komischen Aspiranten Spärlich (Mark Rosenthal) und Dr. Cajus (Piotr Micinski). Wobei Mama Reich dem mäßig geistreichen Franzosen zugetan ist, während Papa Reich, dem Ramaz Chikviladze seine üppige Bass-Stimme leiht, den spärlichen Junker bevorzugt. Auch wenn alle drei Anbeter nicht wie feurige Liebhaber aussehen – ein kluges Mädchen wie Anna trifft sicher die richtige Wahl.
Beim Sommernachtstraum-Finale im Park von Windsor wird Falstaff zur Strafe für seine Anbändelungsversuche ordentlich gepiesackt, was hier aber völlig schmerzlos abgeht. Die Spuk-Maskerade mit weißen Luftballons, bei der Chor unter der Leitung von Ulrich Zippelius noch mal zu großer Form aufläuft, ist ein luftig heiteres Glanzstück in einer Inszenierung, die mit musikalischem Esprit ebenso wenig spart wie mit amüsanten Effekten und leiser Melancholie. Ein Sonderlob verdient die Choreographie von Bea Michele Wiggli, die neben Melina Faka und Soledad Maria Steinhardt auch als Elfe herumgeistert. Das solide gestiefelt tanzende Trio in weißen Tüllröckchen beweist munter ironisch: „Tutto nel mondo è burla“. Was jedoch wieder auf Verdis Konto geht.
Die zu Recht begeistert gefeierte und unbedingt empfehlenswerte Aufführung beweist erneut das musikalische und sängerische Niveau und die künstlerische Spitzenqualität der Bonner Oper, die wirklich nicht schamhaft auf Brautschau am Rhein gehen muss, sondern längst international im Kooperationsgeschäft ist.

Heißer Tipp: Tom Ryser, dessen „Lustige Weiber“ man keinesfalls verpassen sollte, ist auch Hausregisseur des im Pantheon schon mehrfach umjubelten Schweizer Comedy-Paars Ursus & Nadeshkin. Am 5. Oktober werden sie im Rahmen des Beethovenfestes in der Bonner Oper zusammen dem Sinfonieorchester Camerata Schweiz „Im Orchester graben“ und u. a. Beethovens Fünfte überraschend neu interpretieren. Die Karten dafür sind schon rar. Auf der sicheren Seite ist man mit dem TG-Abo „Das andere Beethovenfest“. E.E.-K.

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Spieldauer ca. 2¾ Stunden inkl. einer Pause
Im Programm bis 04.07.12
Die weiteren Termine:
03.06.12 // 06.06.12 // 16.06.12 // 23.06.12 // 01.07.12 // 04.07.12

Donnerstag, 18.10.2012

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