Halpern und Johnson - kultur 86 - Mai 2012

Halpern und Johnson von Lionel Goldstein im Kleinen Theater: Feine Charakterkomödie

Die lange Ehe von Florence und Joe Halpern war ohne Zweifel glücklich. Nun steht der alte New Yorker Geschäftsmann einsam am Grab seiner Gattin. Bis ein fremder älterer Herr mit einem Blumenstrauß auftaucht. Dennis Johnson weiß genau, dass Florence Blumen liebte. Und er weiß eine Menge über Halpern. Auf einer Parkbank treffen die beiden sich wieder.
Herbstlaub beherrscht das Bühnenbild von Frank Joseph für die melancholische kleine Komödie Halpern und Johnson des britischen Autors Lionel Goldstein, die Prinzipal Walter Ullrich an seinem Kleinen Theater Bad Godesberg selbst inszeniert hat. Es ist ein Dialog mit wenig äußerer Handlung, aber psychologischen Tiefendimensionen.
Sensibilität war nicht gerade die Stärke des wohlhabenden Schrotthändlers Halpern, den der 81-jährige Ullrich persönlich verkörpert. Er poltert, grantelt, nimmt kein Blatt vor den Mund beim Ärger über sein tröpfelndes bestes Stück und mokiert sich über Johnsons gewählte Sprechweise und leise Ironie. Natürlich hat der unerschütterliche Macho die reizende „Flo“ geheiratet und nicht sie ihn. Natürlich wusste er, dass die Mutter seiner Kinder Opern liebte – genau genommen Broad­way-Musicals – und sich gern hübsch anzog. Aber hat er sie wirklich gekannt in den vielen Jahren, in denen die tadellose Ehe zur Gewohnheit wurde? Florence und der katholische Buchhalter Johnson, seit acht Jahren ebenfalls Witwer nach einer langen glück­lichen Ehe, waren einst ein Paar. Die jeweiligen Familien waren gegen eine Heirat. Das wäre nichts Besonderes, wenn sie nicht heimlich in rein platonischer Liebe Jahrzehnte lang verbunden geblieben wären.
Lorenz Schirren spielt mit weißer Perücke und perfekter Haltung den feinsinnigen Mann, dem Florence nach ihrer Hochzeit gelegentlich einen Handkuss gestattete und bei den regelmäßigen Treffen ihr Herz ausschüttete. Johnson hat Halpern, der von seiner Exis­tenz nichts ahnte, inbrünstig gehasst. Dass der es mit der Treue nicht ganz so streng nahm, hat ihn wahrscheinlich mehr geschmerzt als die Betrogene selbst. Auch Halpern fühlt sich betrogen durch die geistige Nähe seiner Frau zu einem anderen, der erfuhr, was sie ihm nicht sagen konnte. Der ihre Geheimnisse und Verletzungen begriff und auf unheimliche Weise anwesend war in Halperns geordnetem Leben. Aber wer weiß, ob die ‚richtigen’ Partner glücklicher geworden wären? Das fragile Dreieck war vielleicht eine stabile Basis für die Beziehungen.
In 75 nachdenklichen Minuten entwickelt sich eine bezaubernde Freundschaft zwischen den beiden unterschiedlichen Charakteren, die gleichermaßen ein Recht darauf haben, um Florence zu trauern. In deren Lieblingsbrasserie werden sie weiter philosophieren über die wahre Liebe und die endgültigen Lust-Verluste. Bis der Tod sie scheidet. E.E.-K.
Das Stück lief leider nur bis zum 23.04.12.

Donnerstag, 18.10.2012

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