Come un respiro - kultur 84 - März 2012

Aterballetto und Zürich Ballett in der Oper – Neoklassische Tanz-Perfektion

Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach lieferten die Musik zu den beiden Tanzgastspielen, die das Bonner Publikum gleich zweimal kurz hintereinander in den Genuss vollendeter neoklassischer Tanzkunst brachten. Come un respiro, auf der Spitze getanzt vom italienischen Aterballetto, ist sichtbare Musik. Zu Händels Suiten entwickeln die 13 Tänzerinnen und Tänzer 40 Minuten lang feine Linien, die sie emotional aufbrechen und spielerisch neu verweben. Technisch von fabelhafter Präzision wie beseelt von einem einzigen Atem. Atemberaubend dagegen die zweite Arbeit von Mauro Bigonzetti, dem Chef-Choreographen der Compagnie: In Canto, inspiriert von Ariosts Ritter-Epos Orlando furioso. Hochexpressiv tanzen sie in knappen metallisch schillernden Kostümen alle Leidenschaften der Geschichte vor einem eingeblendeten Sternenhimmel und Bildern von modernen Architekturfragmenten. Zu Händels Feuerwerksmusik sprühen rasant die Temperaments-Funken, zu der berühmten melancholischen „Serse“-Arie „Ombra mai fu“ verlöschen nach einer Stunde tänzerischen Hochglanzes sanft die Flammen. Ein ätherischer Ballett-Traum – fast zu schön, um wahr zu sein.
Auf kraftvollen Ausdruck setzte dagegen das Zürich Ballett mit In den Winden im Nichts von Altmeister Heinz Spoerli, der es sich nicht nehmen ließ, seine Compagnie selbst nach Bonn zu begleiten. Auch hier wird Musik visualiert: Bachs Suiten 2, 3 und 6 für Cello solo, die ja den Tanz selbst zum Thema machen. Den Sätzen sind verschiedene Farben zugeordnet, ein riesiger dampfender Kreis im Hintergrund zeigt die bewegte Luft und das flüchtige „Wolkengewimmel“ (Hofmannsthal), dem das große Ensemble in vielschichtigen Episoden folgt. Ritualisierte Gruppentänze, intime Solo-Passagen, Duette und Trios, raffinierte Ausbrüche aus festen Formen – alles wird mit einer technischen Brillanz und energetischen Spannung präsentiert, die den pausenlosen Abend wie im Flug vergehen lässt. Die drei Suiten spielte live aus dem leicht angehobenen Orchestergraben der großartige Claudius Herrmann, Solocellist am Zürcher Opernhaus. Einen solch unmittelbaren, in jedem Moment lebendigen Dialog zwischen der Sprache der Musik und der Körper erlebt man selten. Neoklassisches Ballett von einer kaum zu übertreffenden Perfektion! Wer für eine der beiden restlos ausverkauften Vorstellungen des Zürich Balletts noch Karten ergattert hatte, durfte sich glücklich schätzen. E.E.-K.

Dienstag, 09.10.2012

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