Seitensprung für zwei - kultur 58 - Juni 2009

Eheliches Fitnesstraining - Seitensprung für zwei: Uraufführung von Lars Albaum und Dietmar Jacobs im Contra-Kreis-Theater

Wer zweimal mit der-/demselben pennt… Na ja, was mal als Provokation gemeint war, ist längst ein alter Hut. Befreite Lust, tabuloser Sex überall, intime Affären als Medienhype, dauerhafte Paarbeziehungen als Auslaufmodell – und dann das: Leah und Paul sind seit 24 Jahren verheiratet, hoffnungslos monogam und damit auch noch ganz zufrieden. Höhepunkt ihrer Schlafzimmerexzesse dürfte der abendliche Gute-Nacht-Kuss sein. Er freut sich ehrlich über den Nasenhaarschneider, den sie ihm zum Hochzeitstag schenkt, und macht sie glücklich mit einem Gutschein für den heiß ersehnten elektrischen Fußwärmer. Man weiß eben, was der andere wirklich braucht.
So viel eheliche Harmonie finden ihre Freunde Katja und Dieter, beide ebenfalls in den bes­ten Jahren, aber überzeugte Singles, geradezu pervers und beschließen, die Leidenschaft der beiden neu zu entfachen. Den Zünder soll ein Seitensprung für zwei liefern, und Funken sprüht die gleichnamige Komödie von Lars Albaum und Dietmar Jacobs zuhauf. Das versierte Autorenduo (beide Jahrgang 1967, beide für die TV-Serie Stromberg mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet) hat auch die im Bonner Contra-Kreis-Theater erfolgreich uraufgeführten Stücke Einmal nicht aufgepasst und Das andalusische Mirakel verfasst. Ihre neue Komödie ist ein geistreiches Vergnügen voller witziger Pointen, wunderbar leichthändig inszeniert von Contra-Kreis-Chef Horst Johanning: „Sex and the City“ mit Bonner Lokalkolorit und gelassenem Selbstbewusstsein.
Verena Wengler ist die attraktive, warmherzige, kluge Leah, als Standesbeamtin schon beruflich mit Ehesachen bestens vertraut. René Toussaint als ihr gelegentlich den Durchblick verlierender Gatte Paul spielt genüsslich den treuherzigen Trottel, dessen erotische Ausstrahlung in etwa seinem geistigen Horizont entspricht. Selbst mitten im Fettnäpfchen behält er mit naiver Tapferkeit den Kopf oben. Ein echter Schatz ist Monica Kaufmann als munteres Bett­hupferl Katja: eine blonde Powerfrau mit sportivem Liebesleben, Hang zu roten String­tangas und jungen Tennislehrern. Etwas gesetzter gibt sich Alexander Osteroth als smarter Casanova Dieter im rosa Anzug (Kostüme: Anja Saafan). Ein perfekter Freund, der sogar völlig uneigennützig vom Bad aus darüber wacht, dass Paul im zwecks Seitensprung gemieteten Hotelzimmer nicht schon an der Minibar scheitert. Während Paul mutig all seine bescheidenen amourösen Fähigkeiten einsetzt, um die junge Friseuse Sandy (entzückend natürlich: Kerstin Radt) auf die Matratze zu kriegen, wird Leah im Nebenzimmer bei ihrer ers­ten ungarischen Tennislektion handgreiflich, was freilich nur zu einem verrenkten Oberarm des jungen Laslo (charmant: Daniel Kuschewski, zum ersten Mal im Contra-Kreis) führt. Simultaner Sprungfeder-Test Wand an Wand (reizvolles Bühnenbild: Thomas Pfau) mit überraschenden Nebenwirkungen.
Die amüsanten Langzeitwirkungen zeigt das Finale quasi in der Spielverlängerung nach dem ersten Abpfiff. Es gibt sie ja noch, die Sehnsucht nach Geborgenheit, Treue und langfristiger Partnerschaft. Nicht gleich ein Loblied auf die bürgerliche Ehe, sondern mit dem spielerisch hinreißenden Sextett ein aufgewecktes Boulevard-Vergnügen mit klugen Besinnungsmomenten. Insgesamt ein wirklicher Glücksgriff! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca.2 ¼ Std., eine Pause
Im Programm bis: 19.07.09

Donnerstag, 14.01.2010

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.



Letzte Aktualisierung: 28.03.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn