Der Garderobier - kultur 57 - Mai 2009

Liebeserklärung an die Bühne - Der Garderobier von Richard Harwood im Kleinen Theater

Es gibt ein festes Gesetz im Theater: Entweder du bist da, oder du bist tot. Zwischenlösungen werden nicht akzeptiert. Sir hat sich ein Leben lang daran gehalten. Sir ist Prinzipal und Protagonist einer englischen Theatertruppe, die durch die Provinz tourt. Draußen tobt der Zweite Weltkrieg, London wird bombardiert, Shakespeares King Lear steht auf dem Programm. 227 Mal hat Sir ihn verkörpert. Doch Sir ist alt, krank und ausgebrannt. Nur sein Garderobier Norman ist absolut sicher: Die Vorstellung findet statt.
Der Autor Ronald Harwood kennt nicht nur das Theater aus jahrelanger Erfahrung, sondern ist auch Verfasser zahlreicher Filmdrehbücher (u.a. Evita Peron, Der Pianist, Der Fall Furtwängler). Unter dem Titel Ein ungleiches Paar kam sein Garderobier 1983 in die Kinos. Im Kleinen Theater hat Prinzipal Walter Ullrich selbst diese wunderbare Tragikomödie inszeniert. Und er ist Sir! Gebrechlich, grantig, launisch, ungeduldig, egozentrisch, aber mit dieser unerschütterlichen Liebe zur Schauspielkunst, die das Theater am Leben erhält. Ullrich spielt das souverän. Er ist König Lear mit großer Herrschergeste und gleichzeitig der kleine Schmierenkomödiant, der den Lear nur darstellt. Er ist der wahnsinnig gewordene König und der listige Bühnentyrann, der sein Ensemb­le zum Narren hält.
Als treuer Diener steht ihm Folker Bohnet in der Titelrolle des Garderobiers zur Seite. Der wuselige Norman muss zwar gelegentlich verzweifelt zum Flachmann greifen, wenn Sir nur noch mit starkem Tee auf die Rolle zu bringen ist. Norman ist unerbittlich vernarrt ins Theater, auch wenn dieses seine Zuneigung nicht unbedingt erwidert. Auf wenig Gegenliebe ist auch die Inspizientin Madge gestoßen – Chris­tiane Hecker liefert eine schöne Charakterstudie dieses verbitterten Faktotums.
Wenn’s um die Vorstellung geht, sind freilich alle auf ihrem Platz. Im Bühnenbild von Frank Joseph reicht eine frei im Raum stehende Tür für die Grenze zwischen der bescheidenen Künstlergarderobe im Vordergrund und den Brettern, die die Welt bedeuten, im Hintergrund. Dort, in dieser Kunstwelt, wird wieder das faszinierende wirkliche Leben stattfinden, gegen das die schäbige Realität nur Schall und Rauch ist. Der eitle Mr. Oxenby (Moritz Bürk­ner) bedient notfalls sogar die Windmaschine. Geoffrey (Konrad Domann) würde vor lauter Bühnenbesessenheit glatt ohne Gage auftreten. Die junge Irene (Tatjana Humberg) weckt mit niedlichem Körpereinsatz Sirs Lebensgeis­ter. Und selbst Sirs schmollende Gattin Milady (Michaela Klarwein) verliert nicht die Nerven. Den Text kann Norman sowieso, im richtigen Kostüm (entworfen von Sylvia Rüger) wird Sir schon nicht ins falsche Stück rutschen. Und erst nach dem Applaus in sein letztes.
Wer die gelungene Aufführung (vorläufig letzte Vorstellung in Bad Godesberg am 26. April) verpasst hat, kann sich schon mal freuen auf den März 2010. Dann wird das Stück für einige Aufführungen noch einmal auf dem Spielplan stehen.
Und im Herbst 2010 bringt Ullrich in seinem Kleinen Theater das neueste Stück von Ronald Harwood heraus: Kollaboration. Der Fall Richard Strauss. E.E.-K.

Dienstag, 06.12.2011

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