Serenata - kultur 56 - April 2009

Musikalisch tänzerisches Feuerwerk - Serenata Gastspiel des „Aterballetto“ in der Oper

Das fulminante Abendständchen in der Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ begeis­terte durch tänzerische Vitalität, Tempo und Witz ebenso wie durch die Live-Musik der Gruppe Assurd. Die vier stimmgewaltigen Damen – allen voran Cristina Vetrone mit voluminösem tiefem Organ und virtuos gespielter Ziehharmonika – sind Teil der Inszenierung von Mauro Bigonzetti, dem international renommierten, weltweit aktiven italienischen Choreographen. Zehn Jahre lang war der gebürtige Römer Tänzer beim Aterballetto (Ater steht für Associazione Teatrale Emilia Romagna), der ersten freien, nicht an ein großes Opernhaus gebundenen Tanzcompagnie Italiens. Inzwischen ist er unter der künstlerischen Leitung von Cristina Bozzolini Chefchoreograph der Truppe.
Ihre Serenata erzählt keine lineare Geschichte, sondern zeigt temperamentvolle Szenen von einem süditalienischen Dorfabend, der möglicherweise längst ins Reich der Träume gehört. Aus Neapel, Apulien und Sizilien stammen die kehligen, rauen Gesänge, die die neunzehn barfüßigen Tänzerinnen und Tänzer (alle sind individuell perfekte Solisten mit klassischer Ausbildung und je eigener Expressivität) in einen energetischen Rausch versetzen. Als geschlossene Gruppe präsentieren sie sich in einem engen Lichtrahmen, bevor sie auseinanderstieben, in kühnen Flugfiguren aufeinanderprallen, erotisches Begehren explodieren lassen, sich gegenseitig anspringen, in die Luft werfen, auffangen oder über den Boden rollen. Naturalistische Kulissen brauchen sie dafür nicht: In den brillant beleuchteten Bildern dominiert die Lust an der körperlichen Bewegung, die gelegentlich die traditionellen Lazzi der Commedia dell’Arte aufnimmt.
Ein männlicher Machtkampf wird rhythmisch angefeuert mit Kastagnetten und Schellen­trommeln. Zum aggressiven weiblichen Zi­ckenduell klatscht ein Dorfdepp Beifall, bevor er in einem grandiosen Solo selbst eine skurrile Geschichte präsentiert. Paare, einsame Passanten und tollkühne Gruppen kreuzen sich auf dem Marktplatz der unüberwindlichen Eitelkeiten. Das gesamte Ensemble setzt mit scheinbar schwereloser Heiterkeit die Erdanziehungskraft außer Gefecht und spielt so leichtfüßig mit großen Gefühlen, dass alles zum turbulenten Spektakel wird. Die luftig eleganten Kostüme sind eine Augenweide, die spielerische Rasanz ist atemberaubend, und das augen- und ohrenbetäubende Assurd-Quartett hat echt das Zeug, aus dem Weltmusik-Hits gemacht werden. Von wegen Mezzogiorno-Nostalgie – vom vulkanischen Leben zwischen Vesuv und Ätna waren am Ende der gut einstündigen Serenata die Zuschauer im ausverkauften Bonner Opernhaus so hingerissen, dass es sie kaum noch auf den Sitzen hielt. E.E.-K.

Samstag, 02.01.2010

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