Sleeping Beauty - kultur 66 - Mai 2010

Eins der berühmtesten Handlungsballette präsentierten kurz danach die Grands Ballets Canadiens de Montréal mit Sleeping Beauty. Für regelmäßige Besucher der ebenso regelmäßig ausverkauften Bonner Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ also die

Eins der berühmtesten Handlungsballette präsentierten kurz danach die Grands Ballets Canadiens de Montréal mit Sleeping Beauty. Für regelmäßige Besucher der ebenso regelmäßig ausverkauften Bonner Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ also die dritte Version von Tschaikowskys Dornröschen. Es geht in diesem Märchen um die Angst vor der erwachenden Sexualität und die Faszination des Verbotenen. Bei dem schwedischen Choreographen Mats Ek ist Prinzessin Aurora ein moderner Teenager, der gegen die spießige Elternwelt rebelliert und sein eigenes Leben führen will. Die klassische Choreographie von Marius Petipa, mit der 1890 in St. Petersburg die Erfolgsgeschichte des „Dornröschen“-Balletts begann, lässt Ek immer durchscheinen. Er zitiert ganze Schrittfolgen und Tanzfiguren, lässt im Divertissement des 3. Aktes sogar kurz ein paar kleine Schwäne auf der Spitze hereinschweben, interpretiert die bekannten ‚Nummern’ jedoch stets überraschend neu. Exakt zu Tschaikowskys Musik, nur schlägt da ein romantischer Walzer plötzlich in Verzweiflung um. Aus einem zärtlichen Pas de deux wird ein aggressiver Zweikampf, beim Rosen-Adagio macht Aurora nicht nur schöne Erfahrungen mit drei ganz unterschiedlichen Kavalieren: der schlicht Bodenständige, der coole Rocker mit Zigarette im Mundwinkel, der elegante Playboy – eher Albträume als Traumprinzen.
Ek erzählt mit dem fabelhaft guten Ensemble (alle beherrschen klassische und moderne Tanzformen) durchaus humorvoll die gar nicht lustige Geschichte eines Mädchens, das die Schmerzen des Erwachsenwerdens erfährt. Robin Mathes verkörpert mit eckigen Bewegungen die pubertäre Körperunsicherheit und mit fantastischer Energie die eigenwillige junge Frau, die in der künstlichen Traumwelt der Drogen landet.
Aurora ist wie im alten Märchen ein Wunschkind. Papas kleine Prinzessin im braven College-Faltenröckchen. Ihre Geburt unter krankenschwesterlicher Mithilfe der mütterlichen Goldfee, der raffinierten Silberfee, der koketten Smaragdfee und der temperamentvollen Rubinfee wäre möglicherweise schief gegangen, wenn nicht Chefarzt Carabosse als männliche böse Fee beherzt zur Spritze gegriffen hätte. Das dicke Ei, das da zum Vorschein kommt, hat’s freilich in sich. Verstockt macht sich fünfzehn Jahre später das Küken Aurora mit dem elterlichen kleinen Auto (witzige Ausstattung inkl. der tollen Kostüme: der schwedische Künstler Peder Freij) beim öden Wald- und Wiesen-Picknick davon aus dem grauen Alltag seiner Erzeuger.
Im Dickicht der Städte wartet schon die männliche böse Fee Carabosse als attraktiver Lover und Dealer, bis Aurora an der Nadel hängt und statt der ersehnten Freiheit die grausame Abhängigkeit erntet. Ihre Identität zersplittert, Väter und Liebhaber vervielfachen sich in den Spiegelungen ihres hilflosen Begehrens.
Der Schnee, den die guten Feen nach der Pause in einem grotesken Besen-Ballett über der im Drogenrausch schlafenden Aurora zusammenkehren, sieht ziemlich grau aus. Prinz Désiré (Robert Deskins) kommt als schnöseliger Beau schimpfend aus dem Publikum, bevor er die Anmache der Feen widerwillig erträgt, bei einer albernen Kochshow-Parodie fischig zappelt, die Konkurrenten um Auroras Hand kurzerhand erschießt und das Mädchen mit einem leidenschaftslosen Kuss in die Wirklichkeit zurückholt. Und dann hocken die beiden wie ihre Altvorderen wieder am Familientisch, legen ein Ei (so lila wie zuvor die Schuhe von Carabosse) und sind so spießig, dass Aurora nur noch an allen Gliedern zittern kann. Auf Entzug oder vor Entsetzen? Getanzt wurde der vergebliche Aufstand auf jeden Fall so blendend gut zwischen Klassik und Moderne, dass der Beifall kaum enden wollte.
Zusätzlich ins Programm genommen wurde zu Ostern noch die stilistisch vielfältige Collage Minus One aus sieben Werken des israelischen Choreographen Ohad Naharin, eins der erfolgreichsten Stücke im Repertoire der Grands Ballets Canadiens. Eine durchgängige Geschichte gibt es dabei nicht. Nur ein raffiniertes Spiel mit Illusionen und Emotionen, manchmal rau und ruppig, manchmal zart und luftig, manchmal komisch zwischen Melancholie und Groteske. Beim Finale kamen die vielsprachigen Tänzer selbst zu Wort und holten Tanzwillige aus dem Publikum auf die Bühne. Alles nicht ganz so elegant wie die frühlingshaft beschwingte Aufführung, aber sehr sympathisch. E.E.-K.

Montag, 07.02.2011

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