Wallenstein - kultur Nr. 61 - 12/2009

Krieg und Fall: Wallenstein im Kleinen Theater

Kurz vor dem 150. Geburtstag des Dichters Friedrich von Schiller (das adelige ‚von’ wurde ihm allerdings erst 1802 zuteil) hat sich das Kleine Theater an seine monumentale Wallenstein-Trilogie gewagt. Was Peter Stein in Berlin in satten zehn Stunden ungekürzt zelebrierte, ist in Bonn auf handliche zwei Stunden reduziert. Das umtriebige Lager ist gestrichen, der Prolog zur Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar 1798 tritt jedoch persönlich (Matthias Kiel im heutigen schwarzen Anzug) auf. Ein geschickter Einfall, der mit Schillers berühmten Versen kurz den „finstern Zeitgrund“ um die Mitte des Dreißigjährigen Kriegs deutlich macht: „Sechzehn Jahre der Verwüstung, des Raubs, des Elends sind dahingeflohn…“.
Die Inszenierung von Hans Thoenies springt direkt in die heikle Situation des „Schöpfers kühner Heere, des Lagers Abgott und der Länder Geißel“. Alle Nebenstränge der Handlung sind gekappt; im schlichten Bühnenbild von Stefan A. Schulz mit einer Landkarte der europäischen Gefechtslage im Hintergrund herrscht gespannte Ruhe. Man verhandelt generalstabsmäßig auf Leben und Tod: sachlich im Dialog, rigoros im Kampf um alles, was noch zu erbeuten ist. Im Zentrum steht der Herzog zu Friedland, also der geniale Feldherr Wallenstein, der im Dienst des katholischen Kaisers in Wien zahllose blutige Schlachten gewonnen hat und dabei reich und mächtig geworden ist. Zu mächtig, fürchtet der Kaiser und möchte deshalb seinen Aufstieg stoppen. Ein taktisches Bündnis mit dem protestantischen Schwedenkönig könnte Wallensteins Position sichern, wäre jedoch ein riskanter Verrat. Prinzipal Walter Ullrich spielt in der Titelrolle den längst schon kriegsmüden, alten und kranken Heerführer, der seine einsamen Entscheidungen fatal hinauszögert, sich der windigen Fortuna anvertraut und dabei selbst verliert. Eine leise, sehr präzise Charakterstudie einer zwiespältigen Figur, die zwischen Machtversessenheit, Überlebensangst, brutaler Rücksichtslosigkeit und tiefem Geschichts­pessimismus einen letzten Triumph verbuchen möchte. Ullrich verweigert seinem Wallenstein alles leichtfertige Heldentum und ist deshalb einfach großartig.
Der kluge Ottavio Piccolomini (Manfred Molitorisz) ist sein schwer zu durchschauender Gegner. Sein Sohn Max (Ingo Heise) ist ein romantischer Idealist, der sich am Ende desillusioniert ins Feld stürzt und dabei umkommt. Seine zarte Liebe zu Wallensteins Tochter Thekla (anrührend: Ivana Langmajer) ist ebenso schön wie aussichtslos. Dagmar von Kurmin beweist als Gräfin Terzky nicht nur ein großes Herz, sondern auch eine rar gewordene Sprachkultur. Sie schleift jeden Blankvers zu einem kostbaren Edelstein, hat in jeder Sekunde Format und geht mit ungebrochenem Stolz ins Verderben.
Als Buttler macht Heiko Haynert treuherzige Miene zum bösen Spiel, bis Ottavio ihm die Augen öffnet und den naiven Haudegen fürs mörderische Geschäft programmiert. Ein ehrgeiziger Piccolomini macht sich die Hände nicht schmutzig, wenn die Krone fast schon greifbar ist. Johannes Prill als kaiserlicher Gesandter Ques­tenberg bringt zu Beginn Bewegung und Farbe (feine historische Kostüme: Kara Schutte) ins politische Intrigenpanorama. Erwin Geisler (Graf Terzky), Matthias Kiel (Wrangel), Frank Ferner (Astrolog Seni) und Stefan Krause (Gordon) behaupten sich tapfer in sorgfältig gestalteten Nebenrollen.
Die Hauptrolle spielen trotzdem Schillers klassische Dialoge, bei denen jedes Wort Gewicht hat, bis sich die Waagschale halt zu Ungunsten des einst so strahlenden Siegers senkt. Auf der Bühne geht es dabei so zivilisiert zu wie bei einer Klimaschutzkonferenz. Die aufs dramatische Gerüst eingedampfte Krimispannung wird in den Köpfen erzeugt. Für helle Köpfe folglich entschieden geeignet.

Sehr zu empfehlen auch für aufgeweckte Schüler ab Klasse 9. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: 13.12..09
Nächste Vorstellungen: 6.-13.12.09

Freitag, 26.02.2010

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