Die Comedian Harmonists - kultur 61 - Dezember 2009

Goldene Kehle: Die Comedian Harmonists in der Oper

Sie sind fast besser als das Original, die erste deutsche Boy-Group, ohne die die vielen heutigen A-capella-Vokalensembles kaum zu denken wären. Die Jungs, die 2007 am Staatstheater Darmstadt zum 80. Geburtstag der Comedian Harmonists mit Riesenerfolg die jetzt in Bonn zu erlebende Show auf die Bühne brachten, sind nämlich nicht nur versierte Opernsänger, sondern auch hervorragende Schauspieler. Das Stück Die Comedian Harmonists von Gottfried Greiffenhagen (Text) und Franz Wittenbrink (Musik) entführt in die turbulenten Golden Twenties im vergnügungssüchtigen Berlin mit seinen Revue-Palästen und frechen Varietés. Greiffenhagen erzählt die kurze Geschichte der Erfinder solch unverwüstlicher Ohrwürmer wie Wochenend und Sonnenschein, Veronika, der Lenz ist da oder Mein kleiner grüner Kaktus frei nach bis zum bitteren Ende unter der braunen Diktatur. Der Regisseur Peter Hailer setzt nicht nur auf die Evergreens; er zeigt sehr berührend die Einzelschicksale, kleinen Macken und ver­rück­ten Träume der Sänger, die der blutjunge Schauspielschüler Harry Frommermann Anfang 1928 um sich versammelte, um dem amerikanischen Gesangsquartett The Revelers nachzueifern.
Im Bühnenbild von Hank Irwin Kittel wird die angespannte Probenatmosphäre in einer bescheidenen Mansardenwohnung ebenso lebendig wie die Aufregung beim Casting in der Berliner „Scala“ und der Starglanz bei den ausverkauften Auftritten überall in Deutschland. Es war harte Arbeit bis zum Gipfel des Ruhms, was der bulgarische Tenor Ari Lesch­nikoff (mit berückend hoher Stimme: Markus Durst), der Bass Robert Biberti (mit voluminöser Tiefe: Andreas Daum), der polnische Bariton Roman Cykowski (Oleksander Prytolyuk) sowie in den tenoralen Mittellagen Erich Abraham Collin (Andreas Wagner) und Harry Frommermann (Jeffrey Treganza) leisteten, bis dieser unverwechselbare sinnliche Sound entstand. Begleitet von dem Pianisten und Komponisten Erwin Bootz (Tobias Engeli; bei der Bonner Premiere übernahm der exzellente Rudolf Hild kurzfristig seine Rolle und die musikalische Leitung).
Das elegante Sängerquintett und der Mann am Klavier brillieren in den stilvollen Kostümen (inkl. viel Brillantine im Haar) von Lydia Kirchleitner mit einer heiteren Leichtigkeit, die die harmonische Komplexität ihrer Schlager glatt vergessen lässt. Eine komische Nummer für sich ist der Schauspieler Jean-Michel Räber als polyglotter Conferencier und beweglicher Akteur beim Aufstieg und Niedergang der Harmonists. Auf dem Höhepunkt seiner steilen Karriere zerbrach das Ensemble am nationalsozialistischen Rassenwahn. Der musikalische Stil wurde als ‚undeutsch’ verbannt, die drei jüdischen Mitglieder mussten 1935 emigrieren. Auch davon handelt sehr nachdenklich die Inszenierung. Sag zum Abschied leise Servus – das wurde leider trauriger Ernst. Absolut hörens- und sehenswert!
Die vier Zugaben muss man sich allerdings mit entsprechendem Applaus erobern. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 ¾ Std., eine Pause
Im Programm bis: 27.06.10
Nächste Vorstellungen: 31.12./18.2./14.3./8.4./11.5./12.5./23.5./30.5.

Freitag, 26.02.2010

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