Matthäus-Passion - kultur 57 - Mai 2009

Die Spiritualität des Körpers - Matthäus-Passion von John Neumeier in der Oper

Die Geschichte vom Leiden und Sterben Chris­ti ist hochdramatisch. Seit dem Mittelalter wird sie immer wieder nachgespielt, ist religiö­ses Ereignis, Lehrstück und Feier des Gottes, der seinen Sohn Mensch werden ließ. Unendlich oft abgebildet wurden das letzte Abendmahl mit den Jüngern, die Stationen seines Kreuzwegs und dieser geschundene Leib. Die Geschichte in die Sprache des Körpers zu übersetzen, liegt also nahe, zumal der Tanz seine Wurzeln im Kultus hat.
Der Choreograph und bekennende Christ John Neumeier nimmt die biblische Botschaft ernst in seiner fast vierstündigen Tanzversion von Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion. In Bonn erlebte Neumeiers längst legendär gewordenes tänzerisches Meisterwerk in der Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ seine 176. Vorstellung seit der Premiere 1980 in der Hamburger St. Michaelis-Kirche. Der damals entstandene Live-Mitschnitt der solistisch prominent besetzten Aufführung unter der musikalischen Leitung von Günter Jena mit ihren leicht verschleppten Tempi wird vom Band eingespielt. Sie ist die musikalische Grundlage des tänzerischen Geschehens, und Neumeiers Choreographie schafft eine unzertrennliche Einheit von Klang und Bewegung. Jeder Schritt, jede Geste haben ihre Entsprechung im Text und in der Komposition. Der sakrale Gehalt durchdringt jeden Moment der ungemein dichten Inszenierung.
Ein paar auf der schlichten schwarzen Bühne immer neu zusammengestellte Bänke markieren die Schauplätze, sind Abendmahlstisch, Gericht, Kerker und werden schließlich zum Kreuz aufgerichtet. Der großartige Lloyd Riggins verkörpert Jesus, den Neumeier Jahre lang selbst getanzt hat. Zwanzig Tänzerinnen und zwanzig Tänzer – alle in einheitlichem Weiß – begleiten seinen Leidensweg. Alle sind ständig präsent auf der Bühne, schlüpfen für Augenblicke in einzelne Rollen, formieren sich zu Gruppen oder schauen als Zeugen im Hintergrund dem Geschehen zu. Sie wechseln von klassischen Ballettfiguren auf der Spitze zu modernen Ausdrucksmitteln, von expressiven Soli zu ausgefeilten Ensemble­szenen. Sie sind Instrumente eines stringenten Bewegungskonzepts und gleichzeitig hochkonzentriert ganz individuell bei sich selbst. Dabei lassen sie den extremen, an die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit reichenden technischen Anspruch fast vergessen zugunsten der großen, emotional zutiefst berührenden Erzählung.
Einzelne bekannte bildliche Darstellungen leuchten als Zitate auf, doch es bleibt Bachs abstrakte und zugleich sinnliche Musik, die den langen Abend trägt. Neumeiers inspirierte Choreographie illustriert sie nicht einfach, sondern vertraut auf die Spiritualität der Körper. Sie ist von einer zeitlosen Schönheit, die andächtig machen kann. Das begeisterte Pub­likum entließ das Hamburg Ballett und John Neumeier, der es seit 1973 leitet, mit Standing Ovations. E.E.-K.
Tanz-Abonnements für die neue Spielzeit sind schon jetzt bei der Theatergemeinde erhältlich. Da in dieser Spielzeit alle Vorstellungen ausverkauft waren, empfehlen wir rechtzeitige Bestellung!

Einmaliges Gastspiel in der Reihe „Highlights des Internationalen Tanzes“

Dienstag, 12.01.2010

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