Bonnards Geheimnis - kultur 51 - November 2008

Alles Schöne ist nur ein Gleichnis - Bonnards Geheimnis von Israel Horovitz im Euro Theater Central

Möglicherweise liebte der französische Maler Pierre Bonnard (1867 – 1947) das auf zahlreichen Reisen erlebte flüchtige Licht der Sonne noch mehr als die Frauen, die ihn als Modelle und Musen begleiteten. Bonnard, der oft als letzter Impressionist bezeichnet wird, suchte im spontanen Eindruck das Allgemeingültige und überarbeitete einige seiner Bilder jahrelang – sogar noch dann, wenn sie bereits im Museum hingen. Berühmt sind seine farblich subtilen, anmutigen Mädchen­akte. Immer wieder malte er den nackten Körper seiner Lebensgefährtin Marthe in der Badewanne. Sie hatte sich dem aufstrebenden jungen Künstler – 1893 stand er am Anfang seiner Karriere, die angesichts seiner widerstandsfreien, allein dem Licht und dessen Reflexen verhafteten Malerei über zwei Weltkriege hinweg relativ komfortabel verlief – als völlig mittelloses 16-jähriges Mädchen als Aktmodell angeboten und starb 1942 ca. 65-jährig als seine Gattin an Eifersucht und Verzweiflung. Der amerikanische Dramatiker Israel Horovitz (*1939) hat der merkwürdig obsessiven Wiederholung eines Motivs sein Stück Bonnards Geheimnis gewidmet, das am Bonner Euro Theater Central jetzt als Deutschsprachige Erstaufführung zu sehen ist.
Die Inszenierung von Peter Tömöry (seine 19. Arbeit am Euro Theater!) ist kein historisch-biographisches Dokumentartheater, sondern ein philosophischer Exkurs über die Möglichkeit von Realität im Medium der Malerei. Ausstatterin Melinda Lörincz, die auch die schönen Kos­tüme nicht nur entworfen, sondern selbst geschneidert hat, hängt dafür leere Bilderrahmen auf die Bühne, die sich sachte verschieben und überlagern wie die wechselnden Zeitebenen des Stückes, in dem Subjekt und Objekt verschwimmen und sich gegenseitig inspirieren.
Richard Hucke verkörpert fabelhaft genau den alten, an seiner Kunst zweifelnden museumsreifen Star und gleichzeitig den gegen die Traditionen aufbegehrenden jungen Künstler. Der wunderbar wandlungsfähige Daniel Andone spielt seinen umsichtigen Freund und vorsichtigen Verleger Thadée Natanson (tatsächlich wegen seiner jüdischen Herkunft ermordet in Buchenwald), der Bonnards irrlichternden Höhenflug unerschütterlich begleitete. Außerdem den tapferen Vater von Bonnards wechselnden Amouren und den schlichten Museumswächter, der den Meister von seinen Korrekturen der abgebildeten Wirklichkeit abhalten will. Doris Lehnert macht als junge und alte Marthe ebenso gute Figur wie als elegante Lucienne, deren Charme Bonnard im mediterranen Licht der Provence verfiel, und als blonde Schönheit Chaty, mit der er nach Rom flüchtete und die sich nach seiner Hochzeit mit Marthe 1925 in einem Pariser Hotelzimmer das Leben nahm. Liebte Bonnard immer dieselbe Frau in verschiedenen Gestalten? Musste er sie verlieren, um sie in Gemälden festhalten zu können? War sein Werk ein sinnlicher Protest gegen die Vergänglichkeit der Gefühle?
Zwei junge Pariser Kunststudenten – Laura Weider (Aurélie) und Frank Musekamp (Luc) – gehen den Lebensspuren in Bonnards Werk nach. Sie begehren sich heftig, werden jedoch kein Paar, weil sie die zerstörerische Macht der erotischen Nähe begriffen haben und sich kein Bild voneinander machen wollen.
„Wir schaffen lauter kleine Lügen, um eine größere Wahrheit zu verfolgen“, behauptet Bonnard. Denn alles Schöne ist nur ein Gleichnis und muss sterben, um im göttlichen Licht der Imagination zu überleben. „Bonnards Geheimnis“ bleibt trotzdem ungelöst, ist aber entschieden sehenswert.
E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1½ Std., keine Pause
Nächste Vorstellung: 12.11.08
Im Programm bis: ???

Dienstag, 10.03.2009

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